In der Überzeugung, „dass sich der Handel neu definieren und erfinden muss“, vollzog Hajo Greve einen mutigen Schritt. Nach 80 Jahren verließ er mit seinem in dritter Generation bestehenden Modehaus die Krefelder City und siedelte ein „Patchwork-Konzept“ zwei Kilometer außerhalb wieder neu an – in einer ehemaligen und zwischenzeitlich denkmalgerecht sanierten Jacquard-Weberei. Im Februar dieses Jahres war Eröffnung. „Besonderes bieten“ lautet das Motto, dem auch das Ambiente Rechnung trägt. Drei Etagen à 300 qm umfasst das Geschäft unter dem neuen Namen „g“, denn auch die Firmierung Modehaus Greve wurde aufgegeben. Im Parterre hat das Fashion-Angebot für Damen und Herren inklusive Lifestyleprodukte sein neues Zuhause gefunden. Im Untergeschoss verkauft ein Kooperationspartner Boxspringbetten. Die erste Etage, „Freiloft“ genannt, wird als Pop-up-Fläche genutzt.
Der lichtdurchflutete und von Backstein-Ästhetik geprägte Raum strahlt Großzügigkeit aus. Jeweils vier Wochen dauernde Foto- und Skulpturenausstellungen fanden hier bereits statt. Ende August verwandelte sich die Fläche in eine Pop-up-Ballettschule, dafür wurden Ballettstangen und Spiegel installiert. Während die Töchter fleißig üben, können die Mütter im „g“ stöbern. Bereits geplant ist zudem ein Event mit einer Kräuterpädagogin sowie einem experimentellen Koch. Das „Freiloft“ kann überdies gemietet werden, zum Beispiel für Mitarbeiter-Schulungen. „Wir haben viele Bewerbungen“, freut sich Hajo Greve, dem wichtig ist, „dass alle Aktionen unseren qualitativen Anspruch erfüllen.“ Sein bisheriges Resümee: „Unser Konzept, anders zu sein und querzudenken, geht bisher hervorragend auf. Es ist auch ein völlig anderes Arbeiten mit unseren Kunden, die nun deutlich mehr Zeit mitbringen. Der Durchschnittsbon ist höher und wir verkaufen mehr Teile pro Kunde.“
Die Inneneinrichtung erfolgte weitgehend in Eigenregie. Der „tolle Parkettboden“ war bereits vorhanden, Elemente des bisherigen Stores wurden wiederverwendet und „sehen hier ganz anders aus“, dazu gesellt sich ausgewähltes Vintage-Mobiliar.
Café oder Autohaus?
Zu den Vorreitern dieser neu gedachten Verkaufsformate zählt auch der Mercedes Me Store in Hamburg. Mitte 2014 wurde er direkt an der Binnenalster eröffnet, inzwischen setzte der Autobauer das City-Konzept auch an anderen Standorten wie Berlin, München, Mailand und Peking um. Ziel ist, die Marke in einer ungezwungenen Atmosphäre erlebbar zu machen. Statt vieler Neuwagen steht hier nur einer, weitere warten im Parkhaus zur Probefahrt. Darüber hinaus können sich Interessenten interaktiv über Produkte und Dienstleistungen informieren.
Herzstück der 550 qm großen Hamburger Fläche aber ist der 350 qm große Lounge- und Restaurantbereich, der eine flexible Event-Bespielung ermöglicht – Tango-Kurse fanden bereits statt, ebenso wie ein Lachyoga-Workshop, Mädelsflohmarkt, Lesungen oder Konzerte. Gastronomiepartner ist Kofler & Kompanie aus Berlin. Dessen Unit-Leiter Christoph Meyer zeigt sich sehr zufrieden: „Nachdem die Besucher zu Beginn noch zurückhaltend waren und sich gefragt haben, ob der Store Autohaus oder Café ist, haben wir nun sehr viele Stammgäste, die uns teils täglich besuchen.“
Sporthäuser scheinen geradezu prädestiniert für Community-Konzepte. Der kanadische Fitnessbekleidungshersteller Lululemon hat im Untergeschoss seines New Yorker Flagshipstores den Rückzugsort „Hub Seventeen“ geschaffen. In den 325 qm großen Räumlichkeiten können sich die Kunden von ihren Shopping-Touren erholen oder zu unterschiedlichen Aktivitäten treffen. Das breit gefächerte Programm beinhaltet u.a. kostenlose Yoga-Kurse, regelmäßige Abendessen, Kinoabende, Kunstausstellungen und Livemusik, wozu Lululemon – so heißt es – „inspirierende Gäste“ einlädt.
Der Sportartikelkonzern Nike hat inzwischen bereits fünf sogenannte Community Stores eröffnet, u.a. in Brooklyn/New York. Das Motto: nah an den Menschen und ihrem Leben sein. In einer Lounge haben die Kunden die Gelegenheit, sich für gemeinsame Sport-Aktivitäten anzumelden.
Yoga im Sporthaus
Gerade im Umbau befindet sich das traditionsreiche Münchner Sporthaus Schuster. Das Nachbargebäude und der angrenzende Teil des Stammhauses werden abgerissen und zusammenhängend neu gebaut, sodass ab Oktober 2017 insgesamt 1.000 qm mehr Fläche zur Verfügung stehen. Für die Übergangszeit wurde ein Ladenlokal in der fünf Gehminuten entfernten Hofstatt angemietet und das Fitness-, Trainings- und Yoga-Sortiment dorthin ausgelagert.
Dieses „Schuster Studio“ umfasst gut 1.200 qm, verteilt auf zwei Ebenen. „Wir nutzen dieses nun auch, um Community-Flächen zu testen, denn entsprechende Gedanken gibt es auch fürs Haupthaus“, berichtet Konstantin Rentrop, Leitung Marketing Multichannel. In der oberen Etage wird hinter einer Glasfront Yoga-Kleidung präsentiert – wenn nicht gerade Kurse stattfinden. Dann werden die mobilen Legetische auf Rollen aus dem „Yogaloft“ herausgeschoben und die Vorhänge zugezogen. Der Raum, der schöne Fenster Richtung Innenhof aufweist, Tageslicht und Frischluft inklusive, bietet bis zu 30 Yogamatten samt Akteuren Platz. Die kostenlosen Stunden finden meist donnerstags und freitags zwischen 18 und 19 Uhr oder samstags zwischen elf und zwölf Uhr statt. Für die Durchführung konnte der lokale Studiobetreiber Body + Soul gewonnen werden. Im Anschluss werden Ingwerwasser und -tee gereicht, sodass ein Austausch zwischen den Teilnehmern ermöglicht wird und der Blick über die Sortimente schweifen kann.
Im Parterre werden nicht nur Fitnessgeräte verkauft, sondern auch Zirkel- oder Personal-Trainings veranstaltet, teils in Kooperation mit Lieferanten wie Adidas, Asics, Nike oder Puma. „Wir erhalten sehr gutes Feedback“, freut sich Konstantin Rentrop. Die Einrichtung des Schuster Studios erfolgte in Zusammenarbeit mit der Marken- und Designagentur Zeichen & Wunder, die ebenfalls in der bayerischen Landeshauptstadt ansässig ist.
Fotos (4): Schuster (1), Nike (1), Greve (1), Mercedes-Benz (1)
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