Schon von außen sollte ein Laden optisch eine klare Botschaft aussenden und den Passanten nicht mit zu viel Informationen „erschlagen“, sagt der Innenarchitekt Stefan Suchanek. Weniger sei hier meist mehr, rät Suchanek. Ein Einzelhändler solle überlegen, welches Synonym seine Produktpalette bzw. sein Hauptgeschäftsfeld am besten repräsentiert und dieses möglichst gut erkenn- und sichtbar kommunizieren. „Ein gutes Symbolbild ist häufig eingängiger als ein Schriftzug, etwa ein überdimensionierter Füllhalter für ein Schreibwarengeschäft, die Brezel für die Bäckerei, der stilisierte Stiefel fürs Schuhgeschäft.
Handwritings und Wortspielereien haben sich schon vor Jahren als Wohn-Accessoire verselbstständigt und auch Einzug in den Retail gehalten. Zu den frühen Nutzern handschriftlicher Instore-Kommunikation gehört Lush, der britische Seifen- und Kosmetik-Filialist. „Als wir Mitte der Neunziger mit sehr kleinem Budget starteten, brauchten wir eine Lösung, wechselnde Informationen schnell und ohne extra Druckkosten im Laden realisieren zu können. Rein aus der Notwendigkeit heraus wurden die handgeschriebenen Tafeln entwickelt, die dann zu einem Synonym unserer Marke wurden“, erzählt Jo Evans, der bei Lush das Storedesign verantwortet und Urheber der signifikanten Original-Handschrift der Marke ist, die bis heute das komplette Branding bis zum Produktetikett prägt.
Filigrane, leise Schriften
Kreativer Input für neue Grafik-Sprachen kommt auch aus dem digitalen Raum: Icons, Smileys und Emojis, die sprachunabhängig weltweite Verständigung möglich machen, erweitern und erneuern die Zeichensysteme. „Die heutigen Möglichkeiten, was digitale Drucke, Produktionsmöglichkeiten und unterschiedlichste Materialen angeht, erlauben jede Art des Ausdrucks und der Darstellung im Geschäft. Ein großer Trend im Retailbereich ist zurzeit alles rund um ‚hand made‘“, so Dietmar Platzgummer von Interstore Design. „Durch eine handgeschriebene Beschriftung, die auch mal gelöscht oder ausgebessert werden kann, wird den Kunden Authentizität, Originalität und Lokalität vermittelt. Dabei geht es nicht so sehr um Signale oder Hinweise, die bereits von Weitem gesehen werden, sondern um das feine Gefühl, persönlich durch den Laden begleitet zu werden.“
Auch die Kommunikationsagentur Danker Moretti setzt auf die subtile Kraft pointierter Typografie. Geschäftsführer Dirk Danker sagt: „Wir sind in Werbung und Marketing an einem Punkt angekommen, wo viele Kunden alles, was bunt, laut und groß ist, automatisch ignorieren. Nuancierte Elemente, filigrane, leise Schriften und Zeichen werden viel stärker wahrgenommen.“ Als Gegenbewegung zu krawalliger und stereotyper Beschilderung, Standard-Etikett und Computergrafik entdecken einige Retailer Chance und Charme von Pinselstrich, Kreidezeichnung und Handlettering. Gerade auch Supermärkte und Food Markets neueren Zuschnitts erkennen in einem individuellen Kommunikationskonzept nicht nur die Orientierungshilfe, sondern den Mehrwert des individualisierten Auftritts.
Die Konsumgenossenschaft Göppingen zum Beispiel bezog in den Planungsprozess ihrer Edeka Staufers Markthalle von Beginn an neben dem Architekten Klaus von Bock und Umdasch als Ladenbau-Unternehmen auch die Kreativagentur Danker Moretti für die medialen, kommunikativen und designorientierten Aspekte des Projekts mit ein. Das Vorhaben war, in einer alten Industriehalle in Göppingen unter Wahrung und Würdigung geschichtsträchtiger Substanz ein modernes Konzept mit marktplatz-ähnlichem Ambiente, integrierter Gastro-Einheit und Vorzeigecharakter zu realisieren. Vom Logo über die Instore-Kommunikation bis zur Tragetasche wurden die gestalterischen Details individuell entwickelt, sei es die kunstvolle Tuschezeichnung einer Artischocke, Typografie, Material und Hinterleuchtung des Fassaden-Schriftzugs oder das bemalte Tafelband, das die Bedientheken highlightet.
„Solche innovativen Ansätze wie kleinere Bedieneinheiten, ein hoher Anteil regionaler Produkte, eine Kaffee-Röstmaschine mit speziellen Kaffeesorten oder auch das angegliederte Restaurant verlangen eine individuelle und ausgefeilte grafische Unterstützung, um ihren Anspruch glaubwürdig dem Kunden zu vermitteln. Solche Details stiften Vertrauen und Sicherheit. Und dafür sind die Kunden sehr empfänglich in einer Zeit, in der Arbeitswelten und Lebensalltag komplex und kompliziert geworden sind“, sagt Dirk Danker. Seiner Meinung nach ist die Tendenz zum „handgemachten“ grafischen Element nicht nur Trend, sondern auch Spiegel eines gesellschaftlichen Wandels, der Handwerkliches und Selbstgemachtes, Persönlichkeit und Echtes honoriert. Danker: „Es würde mich gar nicht wundern, wenn einige Leute bald wieder dazu übergingen, Briefe mit der Hand zu schreiben.“
Fotos (5): Thomas Schindel, Lush, Klaus Goldau / Redsquare, Schwitzke, Schweitzer Project Interstore
Weitere Informationen: www.interstore.ch , www.dankermoretti.com
Sauerkraut als Piktogramm ist schwierig
Klaus Goldau, Geschäftsführer der Storedesign-Agentur Redsquare und hauptsächlich für den LEH tätig, erläutert Vorzüge und Nachteile grafischer Darstellungstechniken.
Warum ist die grafische Gestaltung in einem Markt so wichtig?
Erlebniskauf in allen Ehren – oft will der Kunde jedoch nicht umherwandeln, oder es fehlt ihm schlicht die Zeit. Daher muss auf großen Flächen heute für eine sehr gute Orientierung gesorgt sein. Hinzu kommt die personalisierende und emotionalisierende Komponente. Wir sehen in der grafischen Darstellung im Storedesign die große Chance, genau das darzustellen, was den Store von der Konkurrenz unterscheidet. Bei unserer Entwurfstätigkeit beansprucht der Aufwand an Grafik inzwischen nahezu ein Drittel unserer Zeit. Und es wird noch mehr werden.
Die handbeschriebene oder auch bemalte Tafel ist zum großen Trend geworden…
Sie transportiert den Frischegedanken: Ein Mensch hat es geschrieben, das ist individuell. In der Gastro suggeriert Kreide auf Tafel: gerade frisch eingetroffen, und: nur heute erhältlich. Das Problem für den Händler dabei: Die Schilder müssen täglich neu geschrieben werden, es gibt aber kaum noch Personal, das in Schildermalerei ausgebildet wurde. Print-Grafiken in Läden sind starre Elemente, die oft lange hängen und an Aktualität verlieren.
Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Wir planen immer häufiger Bildschirme, die die Aufgabe gemalter Schilder und wechselnder Grafiken übernehmen. Aber ich kann natürlich aus Kostengründen in einem Supermarkt keine acht Meter hohe und 20 Meter lange Videowand installieren. Eine Grafik dieser Größe ist sehr viel günstiger, muss aber eventuell häufiger ausgetauscht werden. Der individuelle Fall entscheidet über die jeweils geeignete Stilrichtung und Technik. Zum Beispiel sind Wurst oder Sauerkraut als Piktogramm nun mal schwer darstellbar. Gegen den Einsatz von Bildschirmen habe ich mich lange gewehrt, weil es mir zu technoid erschien. Nun muss ich inzwischen aber eingestehen, dass es Wirkung zeigt, wenn der Käufer im Supermarkt auf dem Monitor das Huhn beobachten kann, das die Eier gelegt hat, die er gerade kauft. Das bewegte Bild eröffnet auch zusätzliche Spielräume.
Weitere Informationen: www.redsquare.de