Comeback des Regionalen | stores+shops

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Das „Fenster zur Stadt“ im neuen Berliner Schuhgeschäft Gangart besteht aus einer transluzenten Acrylplatte und zeigt ein Foto des legendären Café Kranzler am Kudamm aus den 60er-Jahren. (Foto: Kultobjekt / Daniel Nötzold)

Comeback des Regionalen

Selbst international aufgestellte Handelsunternehmen schlagen mit visuellen lokalen Bezügen in ihren Filialen eine Brücke zum jeweiligen Standort. Eine Fläche lässt sich über die Ware selbst, das Gestaltungskonzept oder auch das Visual Merchandising regional bespielen.

Zuvor war die 300-qm-Fläche in Tegernsee von einem Netto-Markt belegt, heute befinden sich dort die Tegernsee Arkaden. Das Motto in dem neuen Geschäft lautet „Qualität und Regionalität“. Ausgewählte heimische Produkte von regionalen Manufakturen versammeln sich zum Verkauf und zum Vor-Ort-Verzehr, darunter Kaffee, Käse, Schokolade und Bier aus der Region, alles im lokal geprägten Interieur.

Das Sport- und Tourismuscenter Irschenberg in Bayern mit Fanshop des FC Bayern München (Foto: Stefan Schmalzgruber Photography)

Das Sport- und Tourismuscenter Irschenberg in Bayern mit Fanshop des FC Bayern München (Foto: Stefan Schmalzgruber Photography)

Das traditionsbewusste, touristisch attraktive Bayern hat es besonders leicht, am POS Lokalkolorit über Ware, Visual Merchandising oder Storedesign zu feiern. Aber auch im Rest der Republik wird der sich seit Jahren anbahnende Trend hin zur regionalen oder lokalen Referenz im Store ausgebaut. Selbst Filialisten wie Primark oder Deichmann verzichten nicht darauf, wenigstens an einer Stelle auf der Ladenfläche die Örtlichkeit durch einen Schriftzug, ein Motiv, eine Grafik o. Ä. hervorzuheben.

„Deutschland lebt lokal“ stellt eine aktuelle Allensbach-Studie fest, in der es weiter heißt: „Zu keiner Zeit war die Menschheit so mobil wie heute. Trotzdem findet in Deutschland ein Großteil des täglichen Lebens nach wie vor in einem engen Radius rund um den Wohnort und die nähere Region statt.“ Laut der Studie hat die Bindung der Menschen an ihren Wohnort zwischen 2010 und 2014 wieder zugenommen.

Ein Unternehmen wie Deko Woerner sieht im „lokalisierten“ Visual Merchandising eine Erweiterung der angestammten Geschäftsfelder. „Da wir eine stetig wachsende Nachfrage danach verzeichnen, entwickeln wir nicht nur einzelne Produkte dazu, sondern inszenieren Themenwelten. Und wir realisieren und beschaffen auch individuelle Produkte zu diesem Trend“, sagt Vertriebsleiter Oliver Fernandez.

Im Modehaus Mensing in Bottrop liefern Grubenlampen, Förderturm und die ruhrpott-typische Trinkhalle Assoziationen an die Tradition der Industriekultur des Ruhrgebiets. Die Kunden lieben das neue Storekonzept und bedanken sich für das Einkaufserlebnis und den lokalen Bezug, so Geschäftsführer André Gunselmann.

Die Vergangenheit des Ruhrgebiets ist jedoch nicht immer ein unbelastetes Thema bei der regional ansässigen Bevölkerung. Das bekam ein Shopping-Center in Recklinghausen zu spüren, dessen Innenarchitektur-Konzept, ein Revier-Klischee aus Kohle, Feuer und Stahl, von der örtlichen Bevölkerung abgelehnt wurde, die Mieter blieben auch aus. Erst nachdem die begleitende Design-Agentur gewechselt und ein neues Motto gefunden und umgesetzt war, stieg die Akzeptanz. „Die Kunden wollten vor allem ein positives Erlebnis“, kommentiert Markus Schwitzke, Geschäftsführer von Schwitzke Graphics, die das neue Branding entwickelten. Das Palais Vest, so der heutige Name des Shopping-Centers, spielt auf eine Zeit im Mittelalter an, in der die Stadt eine „herrschaftliche“ Position einnahm. Die Umsetzung erfolgte mit Kronleuchter, rotem Vorhang und „Orangerie“ statt Foodcourt – allesamt positive, „erhebende“ Symbole.

Das Beispiel zeigt: Fingerspitzengefühl, Ortskenntnis und die Recherche von Kultur, Traditionen und Selbstverständnis der lokalen Kundschaft seien angeraten, wenn lokale Themen in einem Gestaltungskonzept aufbereitet werden. Auch bei anderen Shopping-Center-Planungen werden stadtgeschichtliche Anker als Basis herangezogen. Elemente wie Stalltüren, Pferdeskulpturen und Steigbügel an den Wänden erinnern im grundrenovierten und Ende September neu eröffneten Center Marstall in Ludwigsburg daran, dass an gleicher Stelle früher ein königlicher Pferdestall stand. Und die ehemalige City-Passage in Bielefeld wird mit ihrem Umbau in ein Loom Bielefeld umbenannt, was so viel wie Webstuhl heißt und auf die lange textilindustrielle Tradition der Stadt verweist.

Fotos (6): Deko Woerner (1), Kultobjekt / Daniel Nötzold (1), Moysig / Achim Grothus – Bielefeld (1), Primark (1), Sport Scheck (1), Stefan Schmalzgruber Photography (1)

Regionales schmeichelt

Der Architekt Wolfgang Gruschwitz lebt in München und ist dementsprechend besonders sensibilisiert für den lokalen Bezug als Gestaltungselement im Storedesign.

Wenn global aufgestellte Brands und Filialisten wie Primark oder Starbucks einen lokalen Bezug in ihre jeweiligen Vor-Ort-Auftritte einbauen – funktioniert das?

Selbstverständlich kann dies hervorragend funktionieren. Eine Hommage an die Region wird, geschickt umgesetzt, dem Kunden schmeicheln, denn er sieht sie als besondere Wertschätzung „seiner“ Umgebung, mit der er verhaftet ist. Dabei ist dem Konsumenten völlig klar, dass es sich hierbei nur um eine regionale Würdigung der globalen Marke handelt, die eher als Geste und nicht als Ausdruck einer tiefen lokalen Verwurzelung zu verstehen ist. Letzteres ließe sich auch nur schwer glaubwürdig vermitteln. Daher schmeckt die standardisierte Starbucks-Latte aus einer Münchner Tasse am Viktualienmarkt beispielsweise besonders gut.

Was muss bei diesem Visual Merchandising-Trend beachtet werden?

Lokale Bezüge sprechen die Kunden emotional an, solange man nicht verkitscht, lächerlich oder überzogen auftritt. Bei der Darstellung muss auf eine respektvolle Wertevermittlung geachtet werden.

Bei welchen Handelstypen oder Ladenformaten würden Sie einen lokalen Bezug von Storedesign oder VM empfehlen?

Der LEH, Young Fashion und trendige Shop-Konzepte sollten die regionalen Eigenheiten und den „Kiez“-Charakter als Nahversorger forcieren. Kleinere Läden in der Computer-, CE- und Technik-Branche sollten ebenfalls mehr auf einen starken Wiedererkennungsfaktor setzen, denn das Umfeld ist zu vergleichbar und zu wettbewerbsaggressiv. Neben einer hohen Servicequalität eignet sich auch hier ein lokaler Bezug.

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