Wenn Globus ein SB-Warenhaus eröffnet, das mehrgeschossig ist, steht fest: Die Verkaufsetagen werden mittels Fahrsteigen verbunden. „Aus unserer Sicht sind diese der bequemste Weg für die Kunden, sich über die Fläche zu bewegen, zumal die Einkaufswagen mitgenommen werden können“, sagt Michael Jung, Projektentwickler des Unternehmens mit Sitz in St. Wendel. In der jüngsten Filiale in Koblenz wurde die bisher längste Anlage installiert mit rund 35 m, realisiert von der Firma Geyssel, Köln. Globus entschied sich bei dem Neubau für eine Erhöhung der Geschosse für eine luftigere Gestaltung. Das Gebäude mit 5.500 qm Verkaufsfläche im Erdgeschoss und 3.700 qm im Obergeschoss bot genügend Raum, um dreiläufige Fahrsteige unterzubringen. Im Normalbetrieb fahren zwei auf- und eine abwärts. „Wir sind durch diese Lösung sehr flexibel, auch für den Fall, dass eine Rollgleite ausfällt oder gewartet werden muss“, so Michael Jung.
Rolltreppen, korrekt bezeichnet als Fahrsteige bzw. Fahrtreppen, haben sich in stark frequentierten Kaufhäusern bewährt, da sie die Kundenströme kontinuierlich verteilen. Sie können ein- oder mehrläufig sein, parallel oder gekreuzt. Gekreuzte, mehrläufige Varianten ermöglichen den Kunden das direkte Umsteigen auf die nächste Fahrsteige bzw. -treppe, die Kunden müssen nicht erst, wie bei parallelen Umsetzungen, die Längsseite der Anlage umlaufen. Wobei es auch Meinungen gibt, dies biete einen guten Überblick über das Angebot der einzelnen Etagen und rege zu Impulskäufen an.
„Mit der Wahl und Positionierung der Fahrsteige steht und fällt die ganze Planung, es handelt sich um eine der ersten notwendigen und höchst strategischen Entscheidungen“, macht Michael Jung von Globus die Tragweite deutlich. Bei Globus übernimmt die hauseigene Abteilung Bauwesen + Energie die Storeplanung und arbeitet die Ausführungsplanungen des Fahrsteigherstellers sowie die Ergebnisse der erforderlichen statischen Prüfungen in die Ausführungsplanung ein. Diese wird dann an den jeweiligen Generalunternehmer übergeben.
Womit deutlich wird, dass im Vorfeld einiges zu klären ist – ein Part, der bei Bestandsgebäuden nochmals anspruchsvoller ist. Wie steht es um die Einbringöffnungen in ein Gebäude, damit die üblicherweise vormontierten Anlagen geliefert und montiert werden können? Kann die Deckenstatik das Gewicht der Fahrtreppe inklusive Verkehrslast halten? Bei Thyssen Krupp Elevator, Essen, hat man ausgerechnet: Eine Fahrtreppe mit 4 m Förderhöhe bei 30 Grad Neigung wiegt schon leer, also ohne Personen, stattliche 6.290 kg. Des Weiteren muss die erforderliche Förderleistung ermittelt werden. Wie viele Menschen werden die Fahrsteige in welcher Zeit nutzen? Hierzu lassen sich computergestützte Verkehrsanalysen durchführen. Nicht zuletzt daraus ergeben sich die konstruktiven Gegebenheiten wie Stufenbreite und -tiefe, Nenngeschwindigkeit sowie Stauraum an den Zu- und Abgängen.
Zig Normen
Zusätzlich ist die Europäische Norm EN 115 zu beachten, die die Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Fahrtreppen und -steigen umfasst. Darüber hinaus sind in Deutschland die Maschinen-Richtlinie (98/37 EG), die Landesbauordnungen zum Beispiel in Bezug auf die Anbringung von bauseitigen Geländern, die Unfallverhütungsvorschrift VBG 1 und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) einzuhalten. Für jede Anlage sind sowohl eine Prüfung vor Inbetriebnahme als auch wiederkehrende Prüfungen in der Betriebsphase durchzuführen.

Farbige Beleuchtung und Glaselemente machen Rolltreppen heute ansehnlicher, hier im Shopping-Center Limbecker Platz in Essen. (Foto: Thyssen Krupp)
Sicherheit wird also groß geschrieben. Trotzdem haben insbesondere ältere Menschen Hemmungen, Rolltreppen zu nutzen. Diejenigen, für die die Bequemlichkeit gedacht ist, verstehen diese also mitunter nicht als solche. Wie lässt sich der Gefahren-Wahrnehmung entgegenwirken? Prof. Holger Moths, Inhaber des gleichnamigen Hamburger Architekturbüros, hält die Umsetzung im Galeria-Kaufhof-Haus Berlin Alexanderplatz in dieser Hinsicht für gelungen (Planung: Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten, Berlin). Die Rolltreppen bieten großzügige Flächen beim Betreten und fahren sanft an. Zunächst geht es mehrere Meter geradeaus, erst dann vertikal. So können die Fahrtreppen in Ruhe betreten werden.
Und dennoch: Prof. Moths ist kein Fan von Fahrsteigen. „Ich bin stets bemüht, keine einzubauen.“ Seine Praxiserfahrungen, unter anderem aus neun Globetrotter-Häusern, bestärken ihn darin, dass es auch bei mehrgeschossigen Objekten gut ohne geht. Bei seinem ersten Globetrotter-Projekt vor 15 Jahren in Hamburg sah der Plan zunächst eine Rolltreppe vor. „Dies war jedoch bauseitig nicht möglich“, erinnert sich der Architekt. Stattdessen wurden Treppen und Aufzüge, die ja auch zusätzlich zu Rolltreppen zur Herstellung von Barrierefreiheit erforderlich sind, installiert.
„Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Es gibt bis heute keine einzige Beschwerde, auch nicht in Internet-Foren. Im Gegenteil: Die Wirkung auf die Kunden ist positiv, sie entschleunigen und nehmen die Geschosse intensiver wahr.“ So auch bei Tivola Schuhe in der Berliner Schloßstraße. Hier wurde Prof. Moths Zeuge, als eine ältere Dame sagte: „Das ist eine schöne Treppe, sehr bequem zu gehen.“ Treppen ermöglichen es den Kunden, ihr eigenes Tempo zu wählen, auch einmal stehen zu bleiben und dabei die Inszenierungen wahrzunehmen. „Per Rolltreppe rauscht man daran schnell vorbei.“
Bei Elektronik-Fachmärkten passen Fahrsteige laut Prof. Moths ins technische Umfeld. Im Modehandel seien sie indes mitunter ein Fremdkörper. Bauherr Ulrich Fischer, Geschäftsführer der Modehäuser Fischer, wollte sich bei der neuen und mit 2.600 qm bisher größten Filiale des Unternehmens in Leipzig dennoch nicht davon abbringen lassen. Prof. Moths stand somit vor der Aufgabe, den gewünschten gastlichen Wohnzimmer-Charakter damit in Einklang zu bringen. Die Rolltreppe wurde daher zum einen weniger zentral platziert, als dies sonst meist der Fall ist. Zum anderen sind die Rolltreppen gestalterisch in die Situation einbezogen. Ein Lichthof mit großzügigem Deckenausschnitt zieht die Blicke nach oben und soll Neugierde wecken, wie es in der höher gelegenen Etage weitergeht.
Keine Ungetüme mehr
Fahrsteige und Fahrtreppen sind in ihren Ausmaßen gewaltig. Die „Ungetüme“, die sie einmal waren, sind sie aber nicht mehr. Optischen Aspekten wird ein zunehmend großer Stellenwert eingeräumt. „Vermehrt werden außergewöhnliche Beleuchtungen und Verkleidungen angefragt“, stellt Michael Ridder, Pressesprecher von Thyssen Krupp Elevator, fest. Glasbalustraden in verschiedenen Tönungen, farbige Handläufe, sogar in Gold, oder Beleuchtungen auch auf den Unterseiten sind Beispiele der Individualisierungsmöglichkeiten.
Fahrtreppen und -steige werden für jedes Bauvorhaben individuell geplant, konstruiert und gefertigt. ThyssenKrupp Elevator setzt dabei auf Modulbauweise. Zur Anpassung an die baulichen Gegebenheiten sind die Förderhöhen in Millimeter-Abständen wählbar, Neigungen von 27,3 Grad, 30 und 35 Grad stehen zur Wahl sowie Stufenbreiten von 600, 800 und 1.000 mm.
„Hohe Priorität hat inzwischen auch ein möglichst energiesparender Betrieb. Vor wenigen Jahren war das noch ein Nischen-Thema“, stellt Jan Steeger, Media Manager des Aufzug- und Fahrtreppen-Spezialisten Schindler Deutschland, Berlin, fest. Steeger: „Materialien und Bauteile sind daher leichter geworden. Stufen bestehen beispielsweise aus Aluminium anstelle von Stahl. Überdies werden moderne Fahrtreppen lastabhängig betrieben. Der Energieverbrauch des Motors passt sich automatisch an das jeweilige Passagieraufkommen an. Eine große Errungenschaft in Sachen Nachhaltigkeit ist zudem die Energierückgewinnung. Hierbei wird überschüssige Energie aus vollbesetzten Abwärtsfahrten zurück in das Versorgungsnetz geleitet. Die Anlagen produzieren also eigenen Strom.“
Fahrtreppen und -steige sind sehr langlebige Produkte. 30 Jahre Lebensdauer sind keine Besonderheit. Lohnt sich vor dem Hintergrund von Energieeffizienz und Optik gegebenenfalls auch ein vorzeitiger Austausch beziehungsweise eine Neuanschaffung? Oder lassen sich bestehende Anlagen mit vertretbarem Aufwand modernisieren? „Eine Standardantwort gibt es auf diese Frage nicht“, so Michael Ridder von Thyssen Krupp. „Das Spektrum an Möglichkeiten reicht je nach Situation vor Ort vom Austausch einzelner Elemente, zum Beispiel von sichtbaren Teilen mit Gebrauchsspuren über den Austausch von Antriebskomponenten zur Senkung des Energieverbrauchs bis hin zum Austausch der kompletten Anlage.“
Fotos (5): Fotolia / estherpoon (1), Jens-Uwe Hülsenbeck (1), Globus (1), Thyssen Krupp (1), Schindler (1)
Weitere Informationen: www.thyssenkrupp-elevator.com
Einkaufswagen: Fit für Fahrsteige
Fahrsteige, zum Beispiel in SB-Warenhäusern, erfordern besondere, mit speziellen Rollen samt Bremsmechanismen ausgestattete Einkaufswagen. Sie sollen sich während der Fahrt nicht einfach „auf und davon machen“. Aus diesen Sicherheitsgründen sind in Deutschland tägliche Sichtkontrollen durch den Betreiber sowie mindestens alle sechs Monate durchgeführte fachmännische Wartungen verpflichtend. Wanzl, Leipheim, führender Anbieter von Einkaufswagen, bietet seinen Kunden auch Service-Verträge an, deren Inhalt von der Überprüfung der Fahrsteige über die Reinigung und Reparatur bis hin zum Coaching der Betreiber reichen.