Material World – Milano Fuori Salone | stores+shops

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Neue Impulse können beispielsweise die wie mit Buntstiften angemalten Teppiche von Moooi geben. (Foto: Winfried Rollmann)

Material World – Milano Fuori Salone

Mailand ist in jedem April die Pilgerstätte der Interieurdesigner, Architekten und Ladenbauer. Dort geben unzählige „Fuori Salone“-Schauplätze Firmen und dem Designnachwuchs eine Plattform mit Ausdrucksmöglichkeiten. Eine viertägige Tour hat gezeigt, welche Schlüssel-Trends es in Sachen Material und Oberflächen aktuell zu beobachten gibt.

Designer sollten für die Ladengestaltung derzeit 5 Trends im Auge behalten:

Raw Refinement: Eine starke Anziehungskraft behält die Attraktivität und Authentizität von Natürlichkeit. Diese stellt pures, unverfälschtes Material in den Mittelpunkt. Holz, mineralische Oberflächen und Metall offenbaren ihren Charakter. Dabei ist eine Verfeinerung in den Oberflächen erkennbar: Das jeweilige Material soll zwar natürlich aussehen, muss aber anspruchsvoll umgesetzt sein. Neben der visuellen Qualität liegt ein Hauptaugenmerk auf dem Gefühl, das ein Werkstoff vermittelt (zum Beispiel „sinnlich warm“, „glatt“ oder „unnahbar“). Dieses kann selbst im Mikrobereich spürbar werden – etwa durch die Material-Neuentwicklung „Valure“ von BASF mit mikro-gelaserten Mustern. Dabei wirken die Oberflächen matt bis seidenmatt und lassen ein Relief fühlen. Laminate sind 3D-geprägt und können z.B. den minimalistisch manuellen Zementverputz in Kyoto nachempfinden (Laminam). Neu sind warme Taupe-Grautöne: Diese geben Neutralität etwas Anheimelndes (Kerakoll). Holzmaserungen und mikrokörnige Aluminiumoberflächen lassen sich ertasten: Als Anschauungsobjekt dient die für Boffi – einen norditalienischen Hersteller von Küchen, Bädern, Ankleide- und Storagesystemen – entwickelte Küche von Patricia Urquiola. Gewachstes Holz in Ebony oder angeätzte Metalloberflächen verbinden Natürlichkeit mit einem angenehmen Griff.

Raffinesse zeigt sich in der Kombination von Hightech und Natürlichkeit. LED-Technologie erlaubt zum Beispiel das Hinterleuchten von Holz. So können Lampen ein natürliches Licht durch Holzmaserungen senden („Wood Light Floor“ von 13&9 Design) oder Holz-Tischplatten zu Touchscreens werden, wie beim „Nex(t)able“ von Möbelproduzent Arthema und Produktentwickler Thingk. Handgefertigte Qualität vereint sich so mit High-Tech.

Naturally Random: Unregelmäßige Naturstrukturen strahlen Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit aus. Materialien dieser Kategorie bieten als Einzelstücke einen Blickfang und einen willkommenen Kontrast zur Ordnung – wie die Küchen-Blöcke aus porösem Vulkangestein bei Henry Timi. Übergroße Rapporte, etwa bei der neuen Teppichkollektion von Moooi, oder bis zu drei Meter große Keramikplatten zeigen endlose Strukturen. Mittlerweile omnipräsent ist das Thema „Re-Use“: Ob in Stühlen aus „Newspaperwood“ von Studio Jeroen Wand oder in den Paravents „Poussière de Cuir“ von Sybille & Delphine bei Via Création – Nachhaltigkeit spielt eine herausragende Rolle. Viele Designer entwickeln ihre Rohstoffe auch aus „Abfallprodukten“: Bei den Lederparavents werden Lederpartikel, die beim Gerben anfallen und normalerweise kostenpflichtig entsorgt werden müssen, mit Naturkleber verfestigt. In Ventura Lambrate zeigten japanische Designer den „Re-Use“ mineralischen Materials. Das Designstudio Studio Bycolor hat sich die chemische Affinität von pflanzlichen Schäl-Abfällen zu mineralischer Substanz zunutze gemacht. Gewonnene Steinkacheln integrieren den Farbstoff und geben dem Baustoff eine neue Emotionalität.

Anti-Flat: Das Arbeiten mit Oberflächenstrukturen bleibt ein Megathema. Struktur statt Muster ist häufig die Devise. Flächengestaltung wirkt damit oft unverkrampfter und gibt dem Betrachter deutlich mehr Interpretations-Spielraum. Sinnbildlich modern zeigen die Keramik-Arbeiten von Olivier Van Herpt und Sander Wassink, wo die Reise hingeht: Keramik wird in ihrem „Adaptive Manufacturing“ 3D-bedruckt. Dabei nimmt der Drucker Außeneinflüsse wie Geräusche als Druckpartitur wahr. Zudem zeigen sich in Wall-Coverings vielfältigste Ansätze – ob in den handgefertigten „Vegetal Wallpapers“ von Elitis, Vintage-Prints auf 3D-Struktur, Tapeten bei N.O.W. Edizioni oder den in Brera bei Salvatori gesehenen 3D-profilierten Steinkacheln. Ziel ist ein spannendes Relief.

Facetted Shine: Zur Dramatisierung ist neben den vorwiegend matten und natürlichen Oberflächen metallischer Glanz unabdingbar. Er kommt selten platt und nur poliert daher, sondern hat entweder Tiefe oder wird mit graphischen Layers verknüpft (LG Hausys). Das erhöht die Komplexität und lässt Reflexe raffinierter erscheinen. Das Unternehmen Wood-Skin bringt flache Stahlbleche in Bewegung, indem es geometrische Formen mittels Laser-Technik daraus schneidet und den Stahl mit einem textilen Träger verbindet. Die Struktur ist dann frei formbar und sowohl für Außen- wie auch Innen-Räume einsetzbar. Spektakuläre 3D-Effekte setzt das holländische Design Studio Pleunie Buyink mit „Limber Gem“ in Szene: Dabei liegt ein facettierter Goldglanz tief in einer transparenten Gummischicht. Als Metallfarbe etablieren sich neben Silber und dem allseits präsenten Kupfer jetzt Bronze und Gold. Oft werden die verschiedenen Metallfarben auch in Objekten vereint. Leicht gebürstete Metalloberflächen haben deutlich mehr Akzeptanz als Hochglanz.

Pop-Barock: Neben nobler italienischer Zurückhaltung und natürlichem Minimalismus gibt es einen Designansatz, der nach der Devise „Reality is not enough“ funktioniert. Vital und farbenfroh – nichts für visuelle Asketen also. Auffällige „Bold“-Musterungen konkurrieren in Farbe und Muster miteinander. Die wie mit Buntstiften angemalten Teppiche von Moooi oder die Retro-Pop-Deko der Dimore Studios sind neu und kraftvoll. Diese scheren sich ebenso wenig um die ästhetische Norm wie damals der Florentiner Ettore Sottsass mit Memphis. Diesem wurde dieses Jahr vielerorts in Re-Adaptionen gehuldigt. Er passt in den Zeitgeist von farbenfrohen Multimedia-Angeboten und in reiche Bilderwelten, die uns omnipräsent umgeben. Sicher nicht von ungefähr hat das Designjournal Interni sein Pressebüro in diese Pop-Kultur getaucht. Sie setzen optimistisch auf die Zukunft – „Energy for Creativity“.

Fotos (6): Winfried Rollmann

Weitere Informationen: www.fuorisalone.it/info2015/en/ 

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