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Energieaudits sollen Pflicht werden

Lars Reimann ist Referent für Energiepolitik beim Handelsverband Deutschland und nimmt hier Stellung zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes, das große Unternehmen zu einem Energiemanagementsystem und einem Energieaudit verpflichten will.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 31. Juli einen Diskussionsentwurf zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes vorgelegt. Darin verpflichtet der Gesetzgeber alle Unternehmen, die nicht klein und mittelständisch sind (KMU), zur Einführung eines Energiemanagementsystems (EMS) und alle vier Jahre zu einem Energieaudit.

Die Kosten beziffert das Ministerium mit durchschnittlich 4.000 Euro pro Standort. Die Praxis zeigt jedoch, dass es schnell auch 8.000 Euro werden können. Sollte der Verpflichtung nicht nachgekommen werden, wird die Zuwiderhandlung mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet. Der Gesetzesentwurf dient der Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie vom Oktober 2012. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie in nationales Recht lief am 5. Juni 2014 ab. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist aufgrund der Nichtumsetzung bereits eingeleitet worden.

Derzeit handelt es sich „nur“ um den Diskussionsentwurf für die Überarbeitung des Energiedienstleistungsgesetzes. Der Diskussionsentwurf verkennt jedoch, dass der Handel oftmals durch eine flächendeckende Filialstruktur geprägt ist. Die Ein- und Durchführung von EMS und Energieaudits ist für viele große Unternehmen sinnvoll. Maßstab sollte eine wirtschaftliche Betrachtung sein. Sind die Energieeinsparungen höher als die Kosten für ein EMS und ein Energieaudit, ist die Sinnhaftigkeit gegeben. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Ausnahmeregelungen in das Gesetz eingebaut werden. Denn dann sollte das Geld lieber direkt in Energieeinsparungen investiert werden.

„Nicht unerhebliche Praxisfremdheit“

Werner Kalter, Sonderbeauftragter für Energie-wirtschaft/ Nachhaltigkeit, Tengelmann Warenhandels-gesellschaft

Werner Kalter, Sonderbeauftragter für Energie-wirtschaft/ Nachhaltigkeit, Tengelmann Warenhandels-gesellschaft

„Der Diskussionsentwurf weist aus Sicht des filialisierten Handels eine nicht unerhebliche Praxisfremdheit auf und bedarf dringend einer Nachbesserung. Bei einer standortbezogenen Auditierung wären die Kosten für den Handel im mittleren dreistelligen Millionenbereich anzusetzen. Dadurch werden keine Effizienzmaßnahmen mehr umgesetzt werden können, weil die dafür geplanten Investitionsmittel zur Finanzierung dieser Managementsysteme umgewidmet werden müssten. Bei kleineren Filialen werden die zukünftigen administrativen Kosten oft die eigentlichen Energiekosten übersteigen. Die nicht mitgerechneten Folgekosten sowie Organisationsbelastungen lassen die Kosten-Nutzen-Relation noch unwirtschaftlicher werden. Realitätsfremd scheint auch der Zeitrahmen der Umsetzung, denn dieser ist – selbst bei hohem Engagement – definitiv nicht einzuhalten. Der Entwurf kann deshalb vom BMWE ernsthaft so nicht weiter verfolgt werden, stattdessen sollte es dem Handel eine „besondere Ausgleichsregelung” einräumen und diesen von der Verordnung ausnehmen.“    

Von der Verpflichtung betroffen sind nur Unternehmen, welche nicht kleine oder mittlere Unternehmen sind. Ein Unternehmen ist also nicht betroffen, wenn es weniger als 250 Personen beschäftigt und es entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielt oder sich die Jahresbilanzsumme auf höchstens 43 Mio. Euro beläuft. Zu beachten ist jedoch, dass auch Schwester- und Tochterunternehmen oftmals als verbundene oder Partnerunternehmen hinzuzuzählen sind. In diesem Fall kann es ebenfalls zur Verpflichtung von Energieaudits und zur Einführung eines EMS kommen.

„Insgesamt nicht zielführend“

Stefan Dierks, Category Leader CR Product & Strategy, Tchibo GmbH

Stefan Dierks, Category Leader CR Product & Strategy, Tchibo GmbH

„Tchibo führt allein in Deutschland ca. 700 Filialen. Diese sind, trotz individueller Besonderheiten, im Hinblick auf ihre technische und energetische Ausstattung in wenige verschiedene Cluster einteilbar. Die Durchführung von Energiesparaudits in repräsentativ ausgewählten Filialen des jeweiligen Clusters hat sich in der Vergangenheit als wirksames Instrument zur Ermittlung von Effizienzmaßnahmen erwiesen. Die im Diskussionsentwurf des EDL-G vorgesehenen Verpflichtungen bringen daher keine weitere Erhöhung der Energieeffizienz. Somit ist der Entwurf in der bestehenden Form nicht nur hinsichtlich der daraus resultierenden Kosten und Fristen unpraktikabel, sondern insgesamt nicht zielführend.“

Ein Energieaudit ist ein systematisches Verfahren, um Informationen über den eigenen Energieverbrauch zu erhalten. Es wird ein externer Auditor beauftragt, sich die Energieflüsse anzuschauen und Einsparpotenziale aufzuzeigen. Durch ein EMS wird diese Maßnahme unternehmensintern flankiert. Im EMS wird die Energiepolitik eines Unternehmens festgehalten und kontinuierlich nach Einsparmöglichkeiten gesucht.

„Grundsätzlich zu begrüßen“

Olaf Schulze, Director Energy Management, Metro AG

Olaf Schulze, Director Energy Management, Metro AG

„Grundsätzlich ist die Einführung eines Energiemanagement-Systems auch für Handelsunternehmen zu begrüßen. Die Vertriebslinien der Metro Group haben erstmals 2011 die Energiemanagement-Zertifizierung nach ISO 50001 durchgeführt und im Januar 2014 die Rezertifizierung erhalten. Da für die EEG-Umlage-Befreiung für die energieintensiven Unternehmen ein zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagementsystem nur für Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 5 GWh erforderlich ist, sollte diese Grenze auch für die einzelnen Handelsstandorte gelten.“

Das Wirtschaftsministerium geht nach eigenen Schätzungen von etwa 94.000 Unternehmen aus, die von der Verpflichtung betroffen sind. Beachtet werden muss, dass ein Unternehmen verpflichtet ist, alle seine Standorte auditieren zu lassen und mit einem EMS auszustatten. Hiervon sind Unternehmensteile ausgenommen, auf die weniger als 5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs entfallen. Allerdings nur solange, wie gesichert ist, dass mindestens 95 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs des Unternehmens von der Auditierungspflicht erfasst und vom EMS abgedeckt werden. Der Handel zeichnet sich aber gerade durch seine in der Fläche verteilten Filialstrukturen aus. Dabei verbraucht eine Filiale meist weniger als 5 Prozent des Gesamtstromverbrauchs des Unternehmens und wäre eigentlich von den Verpflichtungen befreit. Durch diese Rückausnahme besteht die Verpflichtung allerdings weiterhin. Das macht die Ausnahmeregelung für Filialisten in der Praxis zu einer rein hypothetischen Möglichkeit.

Amortisierung fraglich

Bei den betroffenen Unternehmen entstehen deshalb zunächst Kosten für die Durchführung des Energieaudits pro Standort und Filiale in Höhe von 4.000 bis 8.000 Euro. Die Europäische Kommission geht in der Folgenabschätzung zur Energieeffizienzrichtlinie davon aus, dass ein typisches Audit zu Energieeinsparungen in Höhe von 20 Prozent führt, wovon die Hälfte ohne oder mit nur geringen zusätzlichen Investitionen erzielt werden kann. Hinzu kommen die Kosten für die Einführung eines zugelassenen EMS-Standards nach EMAS, ISO 50001 oder DIN 16247. Allein für die laufenden Verwaltungskosten nach ISO 50001 muss mit 10.000 Euro pro Jahr und Standort gerechnet werden, wobei je nach Größe und Branche des Unternehmens zu unterscheiden ist.

Das Wirtschaftsministerium führt selber aus, dass sich die Kosten für die Energieaudits und das EMS durch die Energieeinsparungen selbst amortisieren sollen. Dies ist für den Handel jedoch äußerst zweifelhaft. Das Energieaudit und EMS müssten demnach Energie in Höhe von ca. 11.000 Euro einsparen. Legt man die prognostizierten 20 Prozent Einsparungen zugrunde, müsste die aktuelle Energierechnung dafür mindestens 55.000 Euro betragen. Von einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis kann hier jedenfalls nicht die Rede sein.

„Internes Energiemanagement reicht aus“

Hans-Martin Obermann, Leiter Holding Immobilien, Rewe Zentralfinanz

Hans-Martin Obermann, Leiter Holding Immobilien, Rewe Zentralfinanz

„Wir haben ein internes Energiemanagementsystem auf Marktebene mit individuellen Effizienzchecks und systematischem Monitoring. Erkannte Verbesserungsmöglichkeiten werden konsequent umgesetzt, die technische Ausstattung sowohl im Bestand als auch im Neubau fortlaufend optimiert. Den Energieverbrauch zu reduzieren, ist die wirtschaftlichste Form des Energiesparens. Hierfür investieren wir Jahr für Jahr erhebliche Summen. Insoweit lehnen wir die verpflichtende Einführung von normierten Energiemanagementsystemen und turnusmäßigen Energieaudits auf Marktebene grundsätzlich ab. Sie bringen uns keinen Zusatznutzen und kosten nur Geld. Bleibt es bei der Fassung des Diskussionsentwurfs, ist dies für filialisierte Unternehmen nicht praktikabel und schon gar nicht bis Ende 2015 umsetzbar. Die Auditierung von mehr als 6.000 Standorten der Rewe-Group würde einen finanziellen Aufwand von rd. 24 Mio. Euro erfordern und darüber hinaus erheblichen administrativen Aufwand verursachen. Diese Ressourcen stehen für Energieeffizienzmaßnahmen nicht zur Verfügung und konterkarieren die eigentliche Zielsetzung.“

Die Einführung eines EMS und die Durchführung des ersten externen Energieaudits muss bis zum 5. Dezember 2015 erfolgt sein. Die Fristen zur Einführung eines EMS sowie zur Durchführung eines Energieaudits sind allerdings innerhalb eines Jahres kaum zu bewältigen. Dies zeigt ein Blick auf den Spitzenausgleich: Hier hat der Gesetzgeber festgelegt, dass es etwa drei Jahre zur Einführung eines EMS bedarf. Vor Ende des Jahres wird das Gesetz kaum noch ausgefertigt werden. Damit wird mit großer Sicherheit die Umsetzung innerhalb weniger Monate erfolgen müssen. Für dieses durch den Gesetzgeber verursachte unlösbare Zeitproblem werden voraussichtlich die betroffenen Unternehmen über entsprechende Bußgelder aufkommen müssen.

Durch den vorliegenden Gesetzesentwurf sollen nun auch Unternehmen verpflichtet werden, deren Eigenmotivation zur Einführung eines EMS eher gering ist. Aber anstatt wie für produzierende Unternehmen, bei denen ohnehin schon eine hohe Eigenmotivation zum Energiesparen besteht, entsprechende Anreize zu schaffen, wird vom Gesetzgeber nun die Verpflichtung plus Bußgeld eingeführt. Daraus resultiert eine Ungleichbehandlung zwischen dem produzierendem Gewerbe und den restlichen Wirtschaftsbranchen. Abschließend sei noch einmal betont, dass es sich hier erst um den Diskussionsentwurf des Gesetzes handelt.

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Weitere Informationen: www.einzelhandel.de

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