Ein kompletter Neubau wäre die Alternative gewesen – mit der Gefahr, einen weiteren der typischen Möbelhaus-Kastenbauten zu errichten und sich damit in den optischen Vergleich zu begeben. Der Möbelhändler Günter Dick hat sich, in Übereinstimmung mit seinem Planer, anders entschieden. „Neutrale, anonyme Standardlösungen aktivieren nichts, wecken weder Assoziationen noch Eigeninitiative des Kunden“, sagt der Kölner Innenarchitekt Werner R. Quadt, der seit 25 Jahren Möbelhäuser konzipiert und auch für die Firma Dick GmbH arbeitet.
Standort des mittelständischen Handelsunternehmens ist Lauchringen, eine kleine Gemeinde tief im Südwesten der Republik, ein paar Meter von der Schweizer Grenze entfernt. Eine Vielzahl von Um- und Erweiterungsbauten prägen die über 80-jährige Historie des Hauses, zuletzt in den Jahren 2007 und 2013. Aus der Notwendigkeit zur Flächenerweiterung entstand unter der Regie des Innenarchitekten Werner R. Quadt und des Karlsruher Projektentwicklers Vollak aus Altbestand und neuen Gebäuden ein fast U-förmiger Komplex mit dem Charakter eines Fachmarkt-Centers. „Mit diesem Konzept schaffen wir trotz einer Gesamt-Verkaufsfläche von 24.000 Quadratmetern ein Höchstmaß an Übersichtlichkeit und Orientierung, gleichzeitig unterstreichen wir unsere Fachkompetenz durch die eigenständige Profilierung der einzelnen Sortimentsbereiche“, beschreibt Inhaber Günter Dick die Strategie.
Eigenständige Vertriebstypen
Vom Innenbereich der U-Form aus, der als Parkplatz dient, kann sich der ankommende Kunde auf einen Blick orientieren. Die Fassaden ringsum sind voll verglast, die einzelnen Sortimentsbereiche besitzen eigene, gestalterisch auffällige Eingänge. Das Hauptportal führt zum Vollsortimenter „Möbel Dick – das Haus der Möbelmarken“ sowie zu „Casa for you“ für „junges Wohnen“.
Mit der Flächenerweiterung um rund 7.000 qm im vergangenen Jahr erhielten auch die weiteren Vertriebsschienen separate Zugänge in einheitlichem CI . Das sind „Küchen Dick“, „Mc Polster“, das „Luminarte“-Leuchtenstudio sowie der untervermietete „Happy Baby“-Fachmarkt. „Wir legen großen Wert darauf, unsere diversen Vertriebskonzepte separat voneinander zu präsentieren, damit die Kunden ihre Wunschartikel schneller finden”, erklärt Inhaber Günter Dick. Innerhalb des Gebäudekomplexes ist für die Kunden aber ein Rundgang durch alle Bereiche möglich. Nicht nur diesem für die Möbelbranche innovativen und überzeugend umgesetzten Mall-Konzept verdankt Möbel Dick die Nominierung zum „Store of the Year“ des Jahres 2014 – eine vom Handelsverband Deutschland (HDE) jährlich verliehene Auszeichnung für Handelsgeschäfte, die durch ihre Innovationskraft, ihren Kundennutzen und ihren Erlebniswert herausragen.
Möbel Dick
Unternehmen Möbel Dick GmbH: Die Fachbereiche „Küchen Dick“, IlluminArte“ und „McPolster“ werden als eigenständige GmbHs geführt.
Gesellschafter/Geschäftsführer: Günter und Michaela Dick
Gründung: 1929 als Schreinerei
Standort: Lauchringen bei Waldshut-Tiengen (Südschwarzwald)
Filialen: Weitere Häuser in Weil am Rhein, Stockach und Tettnang
Mitarbeiter: 350
Verkaufsfläche: 24.000 qm in Lauchringen
Kooperation: Mitglied beim Europamöbel-Verbund
Auch darüber hinaus geht der Händler neue, für Möbelhäuser untypische gestalterische Wege. In den Eingangsbereichen etwa hat Innenarchitekt Quadt die zweistöckigen Präsentationsebenen unterbrochen und ein Galerie-Konzept umgesetzt: offene, rd. 8 m hohe Eingangshallen, die für die emotionale Einstimmung des Kunden sorgen sollen. Im Sortimentsbereich Küchen fällt als erstes die rund 60 qm große Wand aus Naturholz auf, bestehend aus Hunderten verleimter, rd. 30 cm langen Nussbaum-Holzschindeln. An der gegenüberliegenden Wand und bis über die Decke gezogen prangen Großplakate.
Hier und in den anderen Eingangshallen wird die Fläche für dekorative Highlights genutzt. Im Küchenstudio etwa ist dies eine Küchenzeile in Form eines Segelbootes oder ein Gefrierschrank, der in eine Fiat 500-Motorhaube eingebaut ist. Bei Möbel Dick steht in der Eingangshalle ein 8 m hoher Kubus, ein Haus im Haus, das nicht nur die rd. 1.500 qm große Eingangshalle optisch unterteilt, sondern bei den Kunden auch „einen Schlüsselloch-Effekt für das urbane Leben in diesem Haus“ bewirken soll, so Architekt Quadt. Auch beim Rundgang durch die Sortimentsbereiche wird der Kunde immer wieder emotional angesprochen – etwa durch große hinterleuchtete Stoff-Plakate mit Motiven aus der früheren Handwerks- und Industriekultur. „Nur wenn ständig neue Erlebnisse geboten, neue Emotionen geweckt werden, behält der Kunde die Lust am Kauf“, so Quadt (siehe Interview-Kasten).
Das gilt auch für die Schweizer Kunden. Die Einkaufstouristen aus Zürich und aus dem nahen Aargau bescheren Günter Dick zwischen 60 und 70 Prozent seines Umsatzes. „Natürlich profitiert das Geschäft mit den Schweizer Kunden vom Wechselkurs und von der Mehrwertsteuer-Rückvergütung“, sagt Günter Dick. Abhängig sieht sich Dick von diesen günstigen Rahmenbedingungen jedoch nicht. Denn mit seinem Fachmarkt-Konzept sowie der emotions- und erlebnisorientierten Einkaufsatmosphäre sieht er in den Eidgenossen treue Stammkunden, unabhängig von den Preisvorteilen.
Fotos (4): Möbel Dick
Weitere Informationen: www.moebel-dick.de
„Auf das eigene Profil kommt es an“
Werner R. Quadt, Innenarchitekt aus Köln, über mögliche Defizite bei Design und Positionierung von Einrichtungshäusern.
Was ist Ihre Kritik an der Möbelhaus-Architektur?
Bei genauerem Hinsehen sind die meisten Einrichtungshäuser jenseits der 30.000 Quadratmeter von einem fast einheitlichen Erscheinungsbild geprägt – ohne Rücksicht auf regional typische Eigenheiten und Wünsche der Konsumenten. Diese neutralen, anonymen Standardlösungen wecken weder Assoziationen noch Eigeninitiative beim Kunden. In Statistiken steht geschrieben, dass der Kunde im Schnitt bis zu fünf Möbelhäuser besucht, bevor er sich zum Kauf entschließt. Eigentlich ein Armutszeugnis für die gesamte Branche.
Wie sehen Alternativen aus?
Das Planungsziel sollte lauten, nicht nur größer, sondern besser und profilierter zu werden als der Mitbewerber. Sicherlich, mit der Größe des Gebäudes oder einer einzelnen Fachabteilung kann man Machtansprüche deutlich machen. Wenn dann jedoch keine Erlebnisse geboten werden, verliert der Kunde die Lust. Ladenplanung hat die große Chance, das Image durch eine erlebnisorientierte Warenraumgestaltung zu stärken. Ein Entwurf, der in die Unternehmenskultur eingebunden bleibt, schafft Profil, zeichnet eine Unternehmenspersönlichkeit.
Wie wurde dieser Anspruch bei Möbel Dick umgesetzt?
Zum einen kommuniziert das Fachmarkt-Konzept von Möbel Dick mit den auch optisch eigenständigen Fachbereichen den Kunden das eigenständige Profil, die Kompetenz, die Übersichtlichkeit des Hauses. Zum anderen haben wir bei der Innenraum-Gestaltung versucht, ein Raumbewusstsein zu entwickeln, in dem der potenzielle Kunde zum Akteur wird und nicht nur Zuschauer ist. Kunden von Möbel Dick halten sich in einem Milieu auf, das neben der technischen Perfektion, dem Hightech auch einen „High Touch“, eine neue Sinnlichkeit vermittelt.