Moderne und zeitlose Einrichtung, ein frisches Farbkonzept, freundliche Lichtstimmung durch energiesparende Leuchten, Akzentbeleuchtung mit LED, statt Fliesen auf dem Boden eine gegossene Epoxidharzbeschichtung: „Wir setzen auf die aufwändige Gestaltung, da wir nicht mit einem beliebigen Supermarkt vergleichbar sein wollen“, erklärt Götz Richter, Geschäftsführer von ABC Complett, einem auf Bio-Supermärkte spezialisierten Ladenbauer aus Berlin.
Von einem Bio-Supermarkt wiederum unterscheidet sich die neue Veganz-Filiale in München auf den ersten Blick kaum. Der Unterschied liegt im rein pflanzlichen Sortiment. Nicht, dass es hier keine Wurst und keinen Käse gäbe. Die über 70 Käsesorten sind allerdings nicht aus Milch, sondern aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt. Nicht-Veganer nennen das „Käse-Ersatz“. Der Markt bietet eine in Europa einmalige Auswahl an Frischerzeugnissen ohne Molkereiprodukte. Das 8 m lange Wandkühlregal enthält Fleisch-, Wurst-, Fisch- und Käsealternativen sowie pflanzliches Eis. Das „Milchregal“ bietet 45 pflanzliche Milch-Varianten.
Veganz, München
Größe: 350 qm
Standort: Baldestr. 21 / Ecke Auenstraße, München
Eröffnung: 13.12.2013
Betreiber: Veganz GmbH, Berlin
Shopkonzept & Ladenbau: ABC Complett Ladeneinrichtungs GmbH, Berlin
Warenpräsenter: Storebest, Lübeck
Es gibt spezielle Abteilungen für Rohköstler, glutenfreie Lebensmittel, Tiernahrung, Kosmetik-, Reinigungs- und Hygieneartikel – alles ohne Tierversuche hergestellt und ohne tierische Zusatzstoffe. Auch auf Substanzen aus toten Tieren wie Wollwachs oder Rinderfett in Lippenstiften oder auf Tiernebenprodukte wie Honig oder Bienenwachs wird verzichtet. Selbst Verpackungen müssen frei von tierlichen Bestandteilen sein, zum Beispiel ohne Kasein im Klebstoff. Die über 6.000 Produkte des Marktes stammen von etwa 260 Lieferanten aus 30 Ländern weltweit. Vieles kommt aus den USA, das Meiste aus Deutschland.
Bezahlung über Durchschnitt
Das Konzept reicht noch viel tiefer in die „Nahrungskette“ hinein: Die Produkte der Veganz-Supermärkte stammen möglichst aus biologisch-dynamischem Anbau und sind auch fair gehandelt und produziert. Die Bezahlung der eigenen Mitarbeiter liegt weit über dem branchenüblichen Durchschnitt, sogenannte geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gibt es nicht.
![Alles tierfreundlich: Der ansprechende Backwaren- und Snackbereich unterscheidet sich nicht von nicht-veganen Angeboten. (Foto: ABC Complett)](/wp-content/uploads/import/04_Veganz_BER_WarschauerStr_01-300x225.jpg)
Alles tierfreundlich: Der ansprechende Backwaren- und Snackbereich unterscheidet sich nicht von nicht-veganen Angeboten. (Foto: ABC Complett)
Als Basis für ein Supermarkt-Konzept mag der streng vegane und nachhaltige Kurs Manchem weltfremd oder schlicht nicht kalkulierbar erscheinen. Andere sehen darin eine veritable Perspektive. „Vegan ist das neue Bio“, sagt Jan Bredack, Gründer und Geschäftsführer von Veganz. Er ist überzeugt, dass dem pflanzenbasierten Ernährungstrend ein Boom in Nachfrage und Relevanz bevorsteht, auch wenn der Anteil echter Veganer in der deutschen Bevölkerung aktuell bei unter einem Prozent liegt. Die Strahlkraft des Themas reicht weit über die nächstliegende Zielgruppe hinaus, wie die Erfahrungen bereits etablierter Filialen zeigen: Lohas, „Flexitarier“ und Vegetarier zählen zur Kundschaft oder auch Menschen mit Interesse an „Superfoods“, also Naturprodukten mit besonders hohem Nährstoffgehalt. Krankheiten und Unverträglichkeiten treiben die einen an, ihre Ernährung umzustellen, Eitelkeit und Lifestyle die anderen. Das Wortspiel des Markennamens mit Assoziationen an Eleganz oder Extravaganz deutet den Flirt mit dem Lifestyle-Milieu bereits an.
Urbane In-Viertel
Angesiedelt hat sich der neue Markt auch nicht zufällig im Münchner Glockenbachviertel. Mit seinem gutsituierten Publikum aus Doppelverdiener-Paaren, jungen Familien und Szenegängern gilt das Quartier als eine Art Prenzlauer Berg Münchens. Auf solche urbanen In-Viertel ist Veganz ausgerichtet und angewiesen. Die Altersgruppe rekrutiert sich aus den 18-bis 34-Jährigen und der 55-Plus-Generation, die ihre Versorgung bisher in Biomärkten, Reformhäusen, Drogerie- und konventionellen Supermärkten abgedeckt haben und nun an einem Ort ein geballtes Sortiment vorfinden mit Produkten, die anderswo nicht oder nur randständig erhältlich sind.
In den Markt integriert ist ein Bistro mit Snacks, Salaten, Smoothies, Kaffee und Kuchen. Seminare, Kochkurse und Kino-Abende sollen das Warenangebot und das vegane Wissen der Kundschaft bereichern. Die Supermarkt-Filialen bilden eines von drei Standbeinen der Veganz GmbH in Berlin, die außerdem den Import und Großhandel mit veganen Lebensmitteln betreibt sowie ein veganes Gastro-Konzept mit Catering. Wo es die Standortbedingungen hergeben, plant Jan Bredack den Ausbau zu veganen „Ökosystemen“ bzw. Kaufhäusern. Dafür sollen gleich 700 oder sogar 1.200 qm angemietet und an vegane Schuhgeschäfte, Modeläden und/oder Gastro-Einheiten untervermietet werden.
Die erste Veganz-Filiale, die im Juli 2011 in Berlin eröffnete, zählt pro Tag 450 Kunden und erzielte im ersten Jahr einen Umsatz von 1,6 Mio. Euro. Damit liegt sie laut Bredack in Resonanz und Umsatz über Plan. Viele unterschriebene Mietverträge bereits in der Tasche, plant Bredack bis Ende 2015 insgesamt 21 Filialen im In- und europäischen Ausland.
Fotos: Veganz (1), ABC Complett (1)
Weitere Informationen: www.veganz.de
„Wir bedienen die Wertschöpfung“
Jan Bredack war früher Daimler-Manager. Er gab seinem Leben eine komplett neue Richtung, entwickelte sich vom Allesesser zum Veganer und gründete – die Lust am Management vergeht nicht – das vegane Unternehmen Veganz. Inzwischen lädt die Lebensmittelindustrie ihn als Vegan-Experten zu Symposien ein.
Was entwickelte sich anders als der Plan, wo mussten oder müssen Sie Ihr Konzept korrigieren?
Bei der Kalkulation. Wir brauchen weitaus höhere Handelsspannen als der normale Bio-Supermarkt, besonders wegen unserer hohen Personalkosten. Wir liegen jenseits der 40 Prozent.
Wie steuern Sie gegen?
Wir trimmen die Logistik auf Wirtschaftlichkeit und wir fangen an, unser Sortiment zu straffen. Wir brauchen keine 13 Reissorten, vielleicht reichen auch drei, die aber dann exklusiv.
Schrecken die Kunden vor den zwangsläufig höheren Preisen nicht zurück?
Vegan zu leben muss nicht unbedingt teurer sein als herkömmliche Ernährung. Aber wenn man einen hohen Anspruch an Bio und faire Produkte stellt, entstehen höhere Preise. Entscheidend ist, den Kunden zu vermitteln, dass wir uns nicht die Taschen vollstopfen, sondern einfach nur die Wertschöpfung bedienen. Wenn ein Produkt woanders 30 Prozent weniger kostet, dann hat irgendjemand in der Kette verloren. Unser Ansatz ist es nicht, Millionen zu scheffeln, sondern als innovativer Trendsetter zu zeigen, dass man die Dinge auch anders machen kann.
Was spricht dafür, dass pflanzenbasierte Ernährung ein massenkompatibler Trend wird?
Gates investiert gerade Milliarden in die Food-Forschung und ermutigt innovative Lebensmittelhersteller, nach Alternativen für Fleisch und Ei zu suchen. Gates ist überzeugt, dass in fünf Jahren ein Großteil der Bevölkerung vegetarisch und vegan isst. Der Mann, der vor 25 Jahren angekündigt hat, dass absehbar jeder seinen persönlichen Computer besitzen wird und dafür ausgelacht wurde.