Was sich rund um den Globus beim Thema SB-Kassen abspielt, zeigt die „Global EPOS and Self-Checkout“-Studie des Londoner Marktforschungs- und Beratungsunternehmens RBR. Danach sind weltweit bald 170.000 Einheiten installiert. Für 2012 konstatiert der Marktforscher die Auslieferung von insgesamt 27.000 Terminals – 1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Über 40 Prozent der 2012 ausgelieferten Systeme wurden in den USA aufgebaut.
„Etwa jeder zehnte Checkout im modernen US-Lebensmittelhandel ist inzwischen selbstbedient, die Technik kommt aber zunehmend auch in Drogerie- und anderen Fachmärkten zum Einsatz“, erklärt Joachim Pinhammer, Senior Retail Technology Analyst bei Planet Retail. In den USA und weltweit ist NCR der Marktführer unter den SCO-Anbietern. Auch für das laufende Jahr 2013 hat das Unternehmen schon einen dicken Auftrag in der Tasche: 1.200 Filialen des weltgrößten Händlers Walmart werden von NCR mit rund 10.000 SB-Kassen ausgerüstet.
Die Zukunft gehört dem mobilen Scannen und Bezahlen.
Stefan ClemensIn Europa bleibt der britische Handel mit Abstand der größte Abnehmer von SCO-Systemen. Auch in vielen anderen europäischen Ländern ist die Technologie deutlich stärker verbreitet als in Deutschland. Das gilt insbesondere für unsere Nachbarn Frankreich, Belgien und die Niederlande, aber auch für Spanien, Skandinavien und einige Märkte in Mittel- und Osteuropa, etwa Polen oder Ungarn.
Punktuelle Investitionen
Von dem kleinen Schub, den hierzulande 2010 die Einführung von SB-Terminals in den deutschen Märkten von Ikea brachte, blieb 2012 wenig übrig – es gab nur punktuelle Aktivitäten, zum Beispiel in zwei Toom-SB-Warenhäusern der Rewe Group und bei einigen selbstständigen Händlern, etwa beim Edeka-Händler Jan Hayunga in Elmshorn. „Self-Scanning bleibt im deutschsprachigen Handel eine Ausnahmeerscheinung“, kommentiert Ulrich Spaan, Mitglied der Geschäftsführung im EHI Retail Institute. Immerhin: In seiner aktuellen Trendstudie hat das EHI herausgefunden, dass 17 Prozent der FMCG-Händler darüber nachdenken, SCO in den nächsten Jahren erstmalig einzusetzen.
Die eher langsame Einführung der SB-Systeme ist auf die Struktur des Einzelhandels in Deutschland zurückzuführen, wo Investitionsentscheidungen sehr sorgfältig getroffen werden.
Christoph ThomasDabei würden deutsche Kunden die SCO-Terminals nicht weniger häufig nutzen als etwa Briten oder Franzosen, ist Joachim Pinhammer von Planet Retail überzeugt. „Die Zurückhaltung in Deutschland liegt eindeutig auf der Händlerseite. Die knappen Margen hierzulande hindern die Unternehmen daran, in neue Technologien zu investieren, außerdem ist unser Markt stark von den Discountern geprägt, und für diesen Vertriebskanal gibt es noch keine überzeugende SCO-Lösung“, so die Analyse von Pinhammer.
Ihre Praxistests haben die Systeme sowohl hinsichtlich Hard- wie Software weitgehend bestanden – sie haben ein zufriedenstellendes Reifestadium erreicht, die Hersteller arbeiten vorwiegend am Fine-Tuning, etwa in Sachen Design und Benutzerfreundlichkeit. Nach wie vor ein kritischer Punkt allerdings ist die Integration der Systeme in bestehende POS-Landschaften: Die Kosten dafür können leicht aus dem Ruder laufen.
Hohe Investitionskosten
Auch deswegen halten sich die Hersteller mit Angaben zu den Preisen der SB-Technik vornehm zurück. Dass solche Hightech-Produkte allerdings sehr teuer sind und schon bei einer Installation den sechsstelligen Investitionsbereich schnell erreichen, steht außer Frage. Eine auch nur annährende Berechnung des Return on Investment, der den Investitionskosten einen quantifizierbaren Nutzen gegenüberstellt, ist für den Händler außerdem mit vielen Unabwägbarkeiten behaftet.
SB-Kassen sind in Phase eins nicht mehr als ein ergänzendes Service-Angebot für die Kunden. Die nötige Hilfestellung und Überwachung erlaubt zunächst keine Reduzierung der Personalstärken am Checkout. Erst wenn die Akzeptanzquote hoch und der Umgang mit der Technik routiniert ist, beginnt Phase zwei, in der das Unternehmen entscheiden kann, ob Personal reduziert oder zum Ausbau der Serviceleistungen eingesetzt wird. Erst dann bringt die Technik nicht nur mehr Kundenservice, sondern wird auch mit Blick auf den Return on Invest interessant.
Noch relativ neu im Angebot der SCO-Hersteller sind die hybriden Varianten, also Terminals, die sowohl im SB-Betrieb als auch im traditionellen, von Mitarbeitern bedienten Modus funktionieren. Im E-Center von Jan Hayunga sollen, als erste Installation in Deutschland, zu den 7 reinen SB-Kassen noch zwei dieser Hybrid-Geräte kommen. Die „SelfServ Checkout Convertible“ von NCR werden im gesicherten Lotto-Bereich des Marktes als Bezahlmodule genutzt. International hat NCR seine Hybrid-Version bisher in einem Supermarkt des britischen Filialisten Asda eingebaut.
Scannen per Smartphone
Mit „U-Reverse“ hat auch Fujitsu ein hybrides Terminal im Angebot. Getestet wird es momentan bei der französischen Handelskette Auchan, in einem Markt im südfranzösischen Valence. Auchan gehört zu jenen Handelsunternehmen, die auch mit mobilen Selfcheckouts experimentieren. Mobile Lösungen sind u.a. dank Carrefour und Ahold insbesondere in Frankreich und in den Beneluxländern verbreitet.
Neben dem Future Store der Metro ist es in Deutschland bislang allein der bayrische Filialist Feneberg, der die mobile Variante seit 2010 nicht nur in zwei Märkten getestet, sondern zwischenzeitlich in weiteren 10 Märkten ausgerollt hat. Je nach Markt werden zwischen 8 und 15 Prozent des Umsatzes über die von Motorola stammende Lösung generiert, berichtet Detlev Klerke, Geschäftsführer von EDV Service, EDV-Dienstleister von Feneberg. Angesichts dieses positiven Einstiegs hofft Motorola auf mehr. „Wir gehen davon aus, dass auch die deutschen Handelsunternehmen künftig verstärkt auf portable Shopping-Systeme setzen“, erklärt Christoph Thomas, Vice President der Motorola Solutions Germany. Motorola hat die Lösung bei einigen ausländischen Handelsketten im Einsatz, etwa bei Coop Schweiz und Italien, bei ICA in Schweden, Tesco in Großbritannien, Albert Heijn in den Niederlanden sowie Carrefour in Belgien und Frankreich.
Vom Händler bereitgestellte mobile Scan-Devices könnten künftig allerdings nur noch eine begleitende Rolle spielen. Denn die ersten Handelsunternehmen experimentieren mit dem Allzweck-Werkzeug Smartphone als EAN-Lesehilfe. Dazu gehören Ahold, Tesco und die Coop Schweiz, die schon in rund 20 Märkten das Scannen mit dem Smartphone ermöglicht. Der Rollout in weitere 90 Filialen ist geplant. Planet Retail-Analyst Joachim Pinhammer ordnet „die bestehenden mobilen Lösungen daher eher als Übergangstechnologie“ ein (siehe Interview).
Fotos: NCR (1), ITAB (1), Fujitsu (1)
„Scanner sind nur eine Übergangslösung“
Joachim Pinhammer, Senior Retail Technology Analyst bei Planet Retail, über die Chancen von mobilen Lösungen.
Welche Zukunft hat die SB-Technologie mit Perspektive 2020?
Ich bin fest davon überzeugt, dass der SB-Checkout seinen Siegeszug fortsetzen und dass sich die Zahl der ausgerollten Systeme bis 2020 mindestens verdoppelt haben wird. Die technische Entwicklung schreitet voran, Scanraten werden immer besser, neue Erkennungsverfahren wie Image Recognition werden zuverlässiger und kostengünstiger. Sicher kommen mittelfristig Systeme auf den Markt, die auch für die Discounter wirtschaftlich einsetzbar sein werden.
Ist mobiles Scanning eine Zukunftsoption für den Handel?
Für große Warenkörbe bietet es zweifellos Vorteile. Carrefour investierte 2010. Ahold, der „Erfinder“ des mobilen Selfscanning, nutzt dies in seinen niederländischen Albert-Heijn-Filialen intensiv. Auch Tesco hat solche Systeme in bereits mehr als 60 Märkten implementiert.
Wird das Smartphone den Markt neu aufmischen?
Ja, ich schätze die bestehenden mobilen Scanning-Lösungen eher als Übergangslösung ein. Da immer mehr Verbraucher ihre Smartphones zur Einkaufsvorbereitung oder zum Online-Shopping nutzen, sehe ich in Zukunft durchaus Potenzial für Selfscanning mit dem Smartphone des Kunden. Aus Händlersicht insofern interessant, als das Investment in spezielle Mobilscanner entfällt.
Wer sind die Vorreiter dieser Variante?
Es gibt bereits mehrere Unternehmen, die mit der Technologie experimentieren. Die Metro in ihrem Real Future Store, Tesco in UK, Ahold in den Niederlanden und den USA. Dort ist allerdings Walmart bereits am weitesten vorgeprescht. Nach erfolgreichen Tests mit Mitarbeitern und ihren Angehörigen in einem einzelnen Store im Herbst 2012 wurde das System bis heute bereits in mehr als 200 Filialen eingeführt. Das weltgrößte Handelsunternehmen hat angekündigt, dass weitere Standorte in rascher Folge dazukommen werden, unter anderem 150 Sam’s Club Cash&Carry-Märkte.