Wie wird man ein Experte? Wann gilt man als Experte für einen bestimmten Nischenbereich, und wie lässt sich diese Stellung halten, wenn man erst einmal als Experte gehandelt wird? Diese und ähnliche Fragen stellen sich beim Kennenlernen von Greig & Stephenson, einem Büro für Architektur und Design im trendigen Londoner Viertel Southwark südlich der Themse. Das Unternehmen ist seit 1994 im Geschäft und wird bis heute von seinen Gründern Ken Greig und Nigel Stephenson geführt.
Greig & Stephenson sind aus der „Shoppingcenter-Abteilung“ des Londoner Beratungsunternehmens Fitch hervorgegangen. Ken Greig und Nigel Stephenson waren gemeinsam die Leiter dieser Abteilung bei Fitch. Als dann der Unternehmensgründer Rodney Fitch die Firma verließ, beschlossen Greig und Stephenson, dass es an der Zeit sei, „unser eigenes Geschäft zu gründen“, wie Greig erzählt.
Es waren nicht die kleineren Unternehmen, sondern die großen Entwickler, die uns beauftragten.
Ken Greig
Durch einen glücklichen Umstand kamen Greig & Stephenson fast unverzüglich zu ihrem ersten Kunden, der der Agentur bis zum heutigen Tag treu geblieben ist. Aus dieser Zusammenarbeit entwickelte sich ein echtes Vorzeigeprojekt: „1995 gewannen wir einen Wettbewerb, bei dem die Um- und Neugestaltung des Borough Market vergeben werden sollte“. Der Borough Market befindet sich in unmittelbarer Nähe der jetzigen Büroräume von Greig & Stephenson und ist inzwischen eine Adresse für Feinschmecker aus ganz London – mit entsprechenden Preisen.
So sah es dort jedoch nicht immer aus. Vieles von dem, was der Borough Market heute zu bieten hat, ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit von Greig & Stephenson. Sie haben dazu beigetragen, eine der heruntergekommensten Gegenden Londons in einen Ort zu verwandeln, der inzwischen bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen angesagt ist. Sicher war es gerade dieses Projekt, das den Weg für zahlreiche Folgeaufträge ebnete.
Auf nach Europa
Mit der Zeit wurde die Agentur mit der Neugestaltung von Einkaufszentren in Deutschland betraut. Den ersten Auftrag dieser Art, der durch einen früheren Vertreter von Fitch in Deutschland zustande kam, erhielt das junge Unternehmen bereits im Gründungsjahr 1994. Es handelte sich um die Sanierung des Mundsburg-Centers in Hamburg. Darauf folgte die Renovierung des Einkaufszentrums Zuidplein in der City von Rotterdam, das dem Unternehmen ING gehört.
Greigs Erinnerungen zufolge bestand eines der Probleme mit diesen ziemlich großen Projekten darin, dass die Agentur ja gerade erst gegründet und daher noch sehr klein war. „Als wir anfingen, waren wir zu fünft, und drei Monate später bereits zu acht.“ Greig und Stephenson waren jedoch nicht nur im Ausland unterwegs. „1995 waren wir am Ausbau der Einzelhandelsflächen und an der Innengestaltung des Einkaufzentrums in Milton Keynes beteiligt“, erklärt Greig. „Daraus haben wir viel gelernt.“
City-Erneuerung
Er gibt zu, dass die Anfänge des neuen Unternehmens dennoch nicht nach Plan verliefen. „Als wir Fitch verließen, überlegten wir uns, welche Auftraggeber vielversprechend sein würden – wie man das so macht. Tatsächlich war es aber so, dass wir von den kleineren Unternehmen, auf die wir gesetzt hatten, keine Aufträge bekamen. Es waren die großen Entwickler, die uns beauftragten. Wahrscheinlich dachten sie, wir sind jung und haben Biss, und falls etwas schief geht, können sie uns leicht wieder loswerden.“

Beim 2009 eröffneten Allee-Center in Budapest waren Greig & Stephenson verantwortlich für die Innenarchitektur und die Einzelhandelsflächen.
Und dann gab es schließlich noch den Einzelhandel. 1995 starteten Greig & Stephenson mit HMV, einem ehemals großen britischen Filialisten für Unterhaltungselektronik. Greig: „Sie wollten in Deutschland ein Geschäft eröffnen, und wir übernahmen die Planung und Gestaltung der ersten beiden Läden in Frankfurt und Münster.“ Als es auf die Jahrtausendwende zuging, expandierte das Geschäft von Greig & Stephenson im Einzelhandelsbereich weiter, man übernahm Aufträge von Selfridges und für „die meisten Geschäfte im Bluewater“, dem großen Shoppingcenter im Südosten von London. „Außerdem übernahmen wir zahlreiche weitere HMV-Projekte.“ Gleichzeitig liefen die Arbeiten am Borough Market weiter. Dies zog dann ähnliche Projekte nach sich, ein typisches Beispiel dafür ist die Tithebarn-Stadterneuerungsinitiative in Preston. Hier sollte eine große Umgestaltung stattfinden, es sollten Geschäfte wie John Lewis, Marks & Spencer und rund 100 weitere entstehen. Greig erinnert sich: „Wir bekamen den Zuschlag für die Planung der Sanierung des alten Markts. Das war ein ziemlich großer Auftrag für uns.“ Tatsächlich handelte es sich um ein Projekt in der Größenordnung von 700 Mio. Pfund – das allerdings 2011 eingestellt wurde, als das Handelsunternehmen John Lewis absprang. Da zu dieser Zeit, Ende der 90er-Jahre, regelmäßig Projekte dieser Größenordnung an Greig & Stephenson herangetragen wurden, erhöhte sich die Mitarbeiterzahl des Unternehmens auf 25.

Der Entwurf von Greig & Stephenson für die neue Markthalle in der britischen Stadt Leicester, bei der es um die Harmonie mit der historischen Architektur geht.
Anfang des neuen Jahrtausends arbeiteten Greig & Stephenson weiterhin viel an Shoppingcentern, wobei ein erheblicher Teil der Arbeit auf die niederländische Einzelhandelsgruppe Ahold und deren Projekte in Osteuropa entfiel. „Insgesamt beauftragten sie uns für fünf Einkaufszentren“, so Greig. Neben diesen Glanzlichtern gab es auch Schattenseiten. Ende der Nuller-Jahre waren die Perspektiven problematisch, wie Greig sich ausdrückt. „2009 war ein ziemlich hartes Jahr.“ Damit meint er, dass die Zahl der Mitarbeiter verringert werden musste. Zum Teil war dies der Tatsache geschuldet, dass das Unternehmen Außenstände in „sechsstelliger Höhe“ hatte. Diese wurden dann noch im selben Jahr beglichen, „was uns deutlich weiterhalf“ – genauso wie der Anruf aus Hongkong vom Verband der Frischemärkte, der zu Aufträgen für 93 Frischemärkte führte.
Dadurch ist es Greig & Stephenson gelungen, die Zeit nach der Bankenkrise 2008 nicht nur unbeschadet zu überstehen, sondern sich auch mit der dann angepassten Unternehmensgröße weiter ans Werk zu machen. „Das bedeutete schon, dass wir alle härter arbeiten mussten, weil wir weniger Leute waren“, so Greig. Wahrscheinlich kein Einzelfall. Immerhin befindet sich Greig & Stephenson heute noch im Besitz seiner Gründer und hat 12 Mitarbeiter und sein Büro am Rande des Vorzeige- und Dauerprojekts Borough Market.
Weitere Informationen: www.gands.co.uk
Anschrift: 18-20 Southwark Street, London, SE1 1TJ, UK
Gegründet: 1994
Gründer: Ken Greig und Nigel Stephenson
Anzahl der Mitarbeiter: 12
Klienten: u.a. Albert Heijn, de Bijenkorf, Corio Retail, HMV, ING Real Estate, Islington Borough Council, Leicester City Counsel, Marks & Spencer, Preston Tithebarn Partnership, Royal Ahold, Selfridges, Waterstone’s, Westfield, Wine World