„Der Wettbewerb um Talente ist spürbar härter geworden, Studien-Absolventen können schon heute zwischen vielen Job-Angeboten wählen. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren zuspitzen“, lautet die Analyse von Anja Maier, Personalreferentin beim Laden- und Innenausbau- Spezialisten Ganter Interior in Waldkirch. „Dies gilt für technische Berufsprofile in besonderem Maße“, meint Clemens Imberi, Head of Marketing bei der Vitrashop Management AG (Dach der Unternehmen Visplay, Vizona und Ansorg) im Schweizer Birsfelden.
Wir wünschen uns mehr Retail-Bezug.
Klea Simon
Für die Bereiche Retail Design/Retail Architecture kommt erschwerend hinzu: „Die meisten Architektur- und Innenarchitektur-Studiengänge haben zu wenig Retail-Bezug“, berichtet Klea Simon, Human Resources Managerin bei Liganova – The BrandRetail Company in Stuttgart. „Deutschland liegt im Ländervergleich deutlich zurück. In Dänemark beispielsweise gibt es seit Längerem den Studiengang ‚Retail Design und Management‘. Wir würden uns wünschen, dass das Thema in bestehenden Studiengängen an Bedeutung gewinnt und zumindest als Wahlfach angeboten wird. Diesen Wunsch teilen auch unsere Bewerber, die oft bedauern, dass sie im Studium keine Vertiefungsmöglichkeiten angeboten bekamen“, so Simon.
Zu viel Ratio, zu wenig Emotion
Das Düsseldorfer Designbüro Schwitzke & Partner hat zwar bis dato keine Nachwuchssorgen, nicht zuletzt aufgrund des aktuellen Zustroms qualifizierter Bewerber aus EU-Krisenländern („Wir haben mittlerweile Mitarbeiter aus 23 Nationen.“) Dennoch hadert auch Karl Schwitzke, Geschäftsführender Gesellschafter, mit dem deutschen Bildungssystem: „Typisch deutsch, liegt der Fokus der für uns relevanten Studiengänge sehr stark auf Technik und Ratio, weniger auf Emotion. Durch das Bachelor- und Master-System, bei dem Innenarchitektur- und Architekturstudium zunächst parallel laufen, ist nochmals Kreativität verlorengegangen. Oftmals wird nicht einmal mehr Zeichnen gelehrt, arbeiten die Studenten viel zu früh am Computer, der das Denken limitiert.“
Der neue Studiengang ist ein Segen.
Clemens Imberi
Den mangelnden Retail-Bezug beklagt der Branchenprofi ebenfalls: „Retail-Architekten müssen ganz anders an Projekte herangehen als Hoch- oder Städtebauer. Leider gibt es zu wenig Lehrende an den Hochschulen mit Retail-Erfahrung.“
Es bewegt sich was
Talentierten Nachwuchs zu gewinnen ist schwer, Spezialisten zu bekommen nochmal schwerer. Doch es bewegt sich derzeit Einiges, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Unternehmen zunehmend direkt an den Hochschulen engagieren, dabei auf Lehrpläne Einfluss nehmen und den Blick in Richtung Einzelhandel lenken.

Es gilt, dem Design- und Architektennachwuchs das Storedesign als interessantes Arbeitsumfeld vorzustellen und spezielle Ausbildungsinhalte zu entwickeln.
Zum Wintersemester 2013/2014 startet an der Fachhochschule Düsseldorf im Fachbereich Design der neue Studiengang „Retail Design“ (siehe Infokasten weiter unten). Bisher fehlte eine universitäre Ausbildung, die die Aspekte Storedesign, Kommunikation und Marketing vereint. Diese Lücke wird nun geschlossen. Zudem teilen wir die Zielsetzung des Studiengangs, eine neue Generation von nicht-kaufmännischen Führungskräften beziehungsweise interdisziplinär starken Gestalterpersönlichkeiten heranzubilden. Der Akademisierungsgrad im Handel ist sehr niedrig.
Der ‚Fachwirt für Schauwerbegestaltung‘ bildet derzeit die Spitze der Qualifikationspyramide für gestaltende Berufe im Einzelhandel. Das Studium bietet vielversprechende Perspektiven darüber hinaus.“ „Der neue Studiengang ist ein Segen. Die Studenten erhalten einen konkreten Einblick in das, was im Berufsleben auf sie zukommt, werden intensiv mit unserem Metier vertraut gemacht“, freut sich auch Clemens Imberi. Die Vitrashop Gruppe zählt zu den Kooperationspartnern: „Wir bringen uns aktiv in die Lehrinhalte ein, indem zum Beispiel Mitarbeiter unserer Unternehmen Vorlesungen halten oder wir Exkursionen in unsere Firmen anbieten.“
Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Einzelhandels.
Klaus Lach
Auch das Handelsunternehmen C&A ist Förderer. „Es ist eine Win-Win-Partnerschaft. Wir stellen Praktikumsplätze zur Verfügung oder vergeben Studienarbeiten zu definierten Themen. Dabei lernen wir Talente für die Zukunft kennen. In unserer Bau- und Einrichtungsabteilung sowie im Bereich Visual Merchandising können die Studenten ein vielfältiges Spektrum an Aufgaben kennenlernen, bei uns in deutsche wie internationale Projekte hineinschnuppern. Denn wir wickeln sehr Vieles hausintern ab“, erläutert Hermann Jörg, Unit Leader Retail Operations Europe bei C&A.

Verleihung des ersten ‚Retail-Design-Preises‘ durch die Brüder Karl (links) und Klaus Schwitzke (rechts) an das Sieger-Team der Fachhochschule Düsseldorf
Doch es gibt auch Kritikpunkte. Karl Schwitzke sieht den neuen Studiengang in Düsseldorf „falsch aufgehängt". Dieser müsste im Fachbereich Innenarchitektur und nicht im Design angesiedelt sein. Denn die Absolventen können nicht Mitglieder der Architektenkammern werden und deshalb keine Baueingaben machen. Sie können Designkonzepte erstellen, müssen für deren Umsetzung dann aber Architekten hinzuziehen. Schwitzke & Partner engagiert sich daher an der Peter Behrens School of Architecture der Fachhochschule Düsseldorf. Im Frühjahr vergab das Unternehmen hier den ersten „Retail-Design-Preis“ an Nachwuchs-
studenten. Diese hatten nach mehreren spezi-
fischen Vorlesungen zur Aufgabe, ein schlüssiges Ladenkonzept für eine fiktive Marke zu entwickeln. „Diese Zusammenarbeit möchten wir künftig noch intensivieren“, kündigt Karl Schwitzke an.
Frühzeitig „Duftmarke setzen“
Auch Liganova hat bereits eine „Ligacompetition“ im Bereich Retail Architecture durchgeführt. Hier waren Studenten hochschulübergreifend angesprochen. „Die Wettbewerbsreihe wird fortgesetzt, parallel schaffen wir weitere Formate, um Studenten eine Chance zu geben, unsere Branche näher kennenzulernen. Wir bemühen uns, sie frühzeitig im Rahmen von Praxissemestern an uns zu binden. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellen Studenten oft die Weichen für ihre berufliche Laufbahn“, so Klea Simon.

Ganter Interior präsentiert sich auf der Industriekontaktmesse Rosenheim Studierenden der Fachhochschule.
Auch Ganter Interior betreibt „gezieltes Hochschulmarketing“, steht laut Anja Maier beispielsweise „in engem Kontakt mit der Hochschule Rosenheim, ob als Aussteller bei Informationsmessen, durch Fachvorträge unserer Mitarbeiter im Rahmen praxisnaher Vorlesungsreihen oder die Betreuung von Diplomanden und Praxissemester-Studenten.“
Die Vitrashop Gruppe schätzt die Fachhochschule Rosenheim ebenfalls, insbesondere deren Holztechniker seien für das Ladenbauunternehmen Vizona interessant. Mit den Hochschulen Coburg und dem Fachbereich Design der Fachhochschule Köln wurden ebenfalls schon Projekte realisiert. „Ansorg benötigt Lichttechniker, hier machen wir mit der Hochschule Wismar gute Erfahrungen“, fügt Clemens Imberi hinzu und sagt weiter: „Es ist wichtig, früh eine Duftmarke als interessanter Arbeitgeber und kompetenter Geschäftspartner zu setzen.“
Fotos: Christian Köster (2), Ganter (2)
Studium Retail Design: Im deutschsprachigen Raum einmalig
Der Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf bietet ab dem Wintersemester 2013/2014 den neuen Bachelor-Studiengang „Retail Design“ an.
: „Dieser beinhaltet eine im deutschsprachigen Raum einmalige Kombination aus Branchenbezug und breit gefächerten Basis-Qualifikationen. Die generalistische Lehre der angewandten Gestaltung in künstlerischen Grundlagen – Fotografie, Typografie, 3-D-Kommunikation, Corporate Design und Marketing – wird bereichert durch Inhalte der räumlichen Gestaltung mit Retail- und Shop-Design, Visual Merchandising, Szenografie und Online-Shops“, berichtet Prof. Philipp Teufel. Teufel entwickelte den Studiengang mit seinem Kollegen Prof. Dr. Rainer Zimmermann im Dialog mit Unternehmen und Verbänden der Einzelhandelsbranche.
Das Vollzeit-Studium hat eine Regelstudienzeit von 7 Semestern. Abschlussgrad ist der Bachelor of Arts. 30-40 Studierende werden jeweils zum Wintersemester aufgenommen. In diesem Herbst starten 40 Studenten. „Wir hatten 160 Bewerbungen“, freut sich Prof. Teufel über die gute Resonanz und ergänzt: „Wir überlegen bereits, ab 2016 einen berufsbegleitenden Weiterbildungs-Master anzubieten.“
Der Europäische Zentralverband Visuelles Marketing Merchandising (VMM), Aalen, fördert die Etablierung des neuen Angebots. „Der Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf bietet neben seiner Größe und Reputation bereits heute eine hohe Schnittmenge mit relevanten Lehrinhalten des künftigen Studiengangs und ist der perfekte Partner für diese Initiative“, ist Klaus Lach, Geschäftsführender Vize-Präsident des VMM überzeugt. Interdisziplinär zusammengearbeitet wird mit dem Fachbereich Architektur und den Studiengängen Exhibition Design sowie Produkt- und Schmuckdesign.
Weiterer Standortvorteil: Düsseldorf bietet reichhaltige Praxisbezüge. Neben relevanten Dienstleistern oder der Messe EuroShop haben große Einzelhandelsunternehmen wie Metro, Rewe, P&C und C&A hier ihre Zentrale. C&A zählt auch zu den Gründungsförderern und Kooperationspartnern des Studiengangs, ebenso wie Karstadt, die Vitrashop Gruppe, Swarovski und Genesis Display. Diese stellen u.a. Praktika zur Verfügung und bringen reale Projekte in Lehre und Forschung ein.
Weitere Informationen: www.design.fh-duesseldorf.de