Einen Händler virtuell und in 3-D-Animation durch seinen geplanten Shop zu führen, ist für Laden-
planer und Architekturbüros längst keine technische Hürde mehr. Die Konrad Knoblauch GmbH zum Beispiel, Ladenbau-Unternehmen mit Sitz am Bodensee, arbeitet mit der CAD-Basissoftware „Archicad“ der Firma Graphisoft. Auf diese Anwendung aufgesetzt ist eine sogenannte BIM(Building Information Model)-Applikation – ein Präsentationswerkzeug, das die zweidimensionale Planung in eine fotorealistische Darstellung verwandelt, die mit entsprechender Brille auch dreidimensional betrachtet werden kann. „Unsere Kunden möchten eine Vorstellung davon haben, wie ihr Laden einmal aussehen wird, und das natürlich lange bevor er fertig gestellt ist“, sagt Isabella Reck, Head of Design Team bei Knoblauch.

Mit diesem Kundenservice kann Isabella Reck in jedem Projektstadium aufwarten. In der frühen Planungsphase etwa wird dem Auftraggeber per 3-D-Animation ein erster Eindruck der Räume, ihrer Volumina und Proportionen vermittelt. Im Laufe des Projekts kann es darum gehen, verschiedene Entwurfsdetails nebeneinander zu stellen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern. In der späten Planungsphase schließlich präsentiert die Software einen fertig eingerichteten Laden, der dem realen Abbild relativ nahe kommt und bei dem nur noch Fein-Tuning erfolgt.

Virtueller Shop-Besuch

Dabei kann der 3-D-Effekt über eine einfache Brille, aber auch professionell durch sogenannte Head Mounted Displays (HMT) oder durch Datenhelme erzeugt werden. Sie ermöglichen es, richtig in den Raum hineinzugehen und sich dort nach allen Seiten umzuschauen. Das Stichwort lautet Virtual Reality – eine vor 30 Jahren von der NASA entwickelte Technik zur Simulation von Weltraumflügen, die inzwischen auch den Ladenbauern zur Verfügung steht. Die Firma Knoblauch realisiert vorwiegend Fashion-, Sport- und Outdoor-Shops.

Zum Beispiel wurde die 3-D-Visualisierung beim Neubau des Händlers Sportmüller im südbadischen Lörrach eingesetzt. Prägende Elemente dieses Ladens sind unter anderem freistehende Kuben sowie Farbstreifen, die an Boden, Wand und Decke entlangführen. Auch solche optischen Varianten lassen sich mit BIM-Anwendungen in ein virtuelles Bild integrieren. Der Händler kann sich damit frühzeitig ein fundiertes Urteil über die gestalterische Gesamtwirkung bilden.

Visualisierung und Fehlervermeidung

Wie Graphisoft verfügen auch die anderen CAD-Entwickler über BIM-Tools. Diese dienen neben der Visualisierung auch der Fehlervermeidung bei der Planung. Denn mit der Integration der dritten Dimension lassen sich zum Beispiel Regalhöhen und die zugehörigen Sortimente integriert darstellen.

Eine CAD-Lösung, die Ladenplanung mit Sortimentsgestaltung verbindet

Eine CAD-Lösung, die Ladenplanung mit Sortimentsgestaltung verbindet

Die Programme erkennen automatisch, wenn etwa die Regalhöhen für bestimmte Produkte nicht ausreichend dimensioniert sind. 3-D-Darstellungen helfen auch dabei, Displays für Sonderaktionen optimal in das Ladenlayout zu integrieren. Die Programme zum Laufen zu bringen, gestaltet sich in der Praxis allerdings oft schwieriger als in den Hersteller-Prospekten versprochen. Als Grundvoraussetzung müssen Datenbanken angelegt sein, die von den Bauteilen über die Warenträger bis zu den Displays und Sortimenten die Daten aller benötigten Elemente zur Verfügung stellen – und zwar im passenden Datenformat, was sich zuweilen als Hürde erweist. Die Entwickler allerdings haben ihre Lösungen inzwischen mit Tools ausgestattet, die das Erstellen oder Auffinden von BIM-Komponenten unterstützen. Bei Graphisoft zum Beispiel kann der Anwender auch über ein Cloud-basiertes Webportal nach den Objekten suchen.

Außerdem muss ausreichende Rechnerleistung bereitgestellt werden, um die erforderlichen Konstruktions- und Gestaltungselemente sowie die teilweise mehrere Gigabyte großen 2-D-Basiskonstruktionen zu importieren und umzuwandeln. Zwar sind diese Funktionen weitgehend automatisiert, für Korrektur- und Nacharbeiten muss der CAD-Bediener aber oft reichlich Zeit einplanen.

Handelsspezifische Lösungen

CAD-Anwendungen sind in vielen Wirtschaftszweigen zum unentbehrlichen Planungs- und Konstruktionsinstrument geworden, von der Autoindustrie über den Maschinenbau und die Elektrotechnik bis zur Möbelproduktion. Dem professionellen CAD-User stehen heute eine Vielzahl von Programmen zur Verfügung, die in ihrer Basisversion ab rund 3.000 Euro erhältlich sind.

Unter den Lösungen befinden sich allerdings nur wenige, die über ihre Standardfunktionen hinaus mit Applikationen ausgestattet sind, die auf Innen- und speziell auf Shop-Einrichtungen zielen. Einige Ladenbauer wie etwa die Johann Weimann GmbH in Selmsdorf, zu deren Handelskunden unter anderem Karstadt und das Schuhhaus Görtz gehören, entwickeln daher eigene CAD-Applikationen.

Zu den auf dem CAD-Markt angebotenen Lösungen gehört mit „Megacad“ ein Programm der Megatech Software GmbH, das die Meyer-Werft in Papenburg zur Innenraumgestaltung ihrer Kreuzfahrtschiffe einsetzt, das aber auch von Ladenbauern wie der Wunderlich OHG in Hamburg genutzt wird. Oder die Planungssoftware der Firma Palette CAD GmbH in Stuttgart, angelegt für den Innenausbau inklusive Messe- und Ladenbau und mit besonderer Kompetenz im Bereich Holztechnik.

Unter anderem Bäckerei-Filialen, die bei ihrem Interieur schwerpunktmäßig mit Holz arbeiten, werden mithilfe dieser Software geplant. Die neue „CAD 8“-Version von Palette CAD zeichnet sich vor allem durch ihre fotorealistische 3-D-Visualisierung mit Tageslichtsimulation aus. Panoramen, die auch auf einem Tablet-PC gezeigt werden können, und Darstellungsmöglichkeiten wie „Aquarell“, „Marker“ und „Skizze“ gehören ebenfalls zur Ausstattung. Der Anwender kann seine Planung auch als 3-D-Film in Szene setzen.

Anwenderfreundlichkeit im Fokus

Die CAD-Entwickler haben sich in der Vergangenheit darum bemüht, den Umgang der Anwender mit den Programmen intuitiver, flexibler und variabler zu machen. Dazu gehören zum Beispiel einfachere Benutzerführung, neue Hilfsfunktionen, verbesserte Zeichnungsverwaltung, Drag & Drop-Optionen oder leichtere Importe nicht nur einzelner Elemente, sondern auch ganzer Räume. Und äußerst wichtig für den Anwender: Nachdem die früheren CAD-Programme meist als Insellösungen konzipiert waren, sind sie inzwischen netzwerkfähig, systemoffen und modular aufgebaut.

Auch die Obst- und Gemüseabteilung kann virtuell geplant werden

Auch die Obst- und Gemüseabteilung kann virtuell geplant werden

Zeit ist Geld für die CAD-Bediener – die Pro-
gramme sollten daher auch in der Lage sein, Prozesse zu verknüpfen und damit einzelne Arbeitsgänge zu ersparen. Das gilt insbesondere für große Ladenbau-Unternehmen wie etwa die Firma Linde in Bad Hersfeld, die auf den Lebensmittel-Einzelhandel spezialisiert ist und die knapp 15.000 einzelne Systemelemente in ihrem Portfolio führt. Linde arbeitet mit der CAD-Anwendung „P’X5“ des Schweizer Software-
hauses Perspectix, einer Lösung für den Ladenbau, die dreidimensionale Ladenplanung mit Sortimentsgestaltung und Aktionsplanung verbindet.

Bei Linde werden üblicherweise 2-D-Filial-Grundrisse aus dem CAD des Handelskunden eingelesen und vom CAD-Planer mit den gewünschten, jeweils vordefinierten Systemelementen zu einem vollständigen Einrichtungslayout konfiguriert. Planung und Stücklistenberechnung stellten dabei früher zwei getrennte, nacheinander ablaufende Prozesse dar. Die Planungssoftware aber kann beide Vorgänge gleichzeitig absolvieren, wobei automatisch die Stücklisten mit sowohl kaufmännischen wie technischen Daten erstellt werden. „Wir zielen darauf ab, die Stücklistenberechnung für die Ausstattung eines ganzen Supermarktes auf diese Weise von zwei Tagen auf künftig einen halben Tag zu reduzieren“, erläutert Linde-Vertriebsleiter Dietmar Paetsch.

Sortimentsplanung in 3-D

Solche Vorteile sind für den Ladenbauer ebenso willkommen wie Applikationen, die zum Beispiel händlerische Sortimentskonzepte planerisch integrieren. Das gilt insbesondere für die Konzeption von Super- und Verbrauchermärkten, wo der Regalbelegungsplanung eine besondere Bedeutung zukommt. Mit der Perspectix-Software lassen sich zum Beispiel Zonenpläne erstellen und Regalplätze virtuell mit den jeweiligen Warengruppen befüllen.

Der Planer kann seinem Handelskunden damit die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der vorgeschlagenen Einrichtung verdeutlichen. Das Programm produziert Auswertungen zu Warengruppen, Artikeln und Einrichtungsstücklisten hinsichtlich Stückzahl, Quadratmeter und Laufmeter, sodass die Gestaltung des Marktes verbunden mit der Flächen- und Sortimentsoptimierung verläuft. Das erhöht die Kommunikationsqualität zwischen Category Managern, Visual Merchandisern und Ladenplanern und führt im Optimalfall zu mehr Umsatz und weniger Abschreibungen. 

Abbildungen (2): Perspectix