Regalfronten mit Lebensmitteln, genau wie im Supermarkt – der britische Lebensmittelhändler Tesco ließ Großplakate mit Fotos authentischer Regalfronten in den U-Bahnhöfen von Seoul in Süd-Korea kleben. Jedes abgebildete Produkt war mit einem QR-Code versehen. Durch Einscannen per Smartphone konnten sich die Passanten so einen Warenkorb zusammenstellen und nach Hause liefern lassen. Die zeitlich befristete Kampagne war nach Angaben von Tesco erfolgreich: Über 10.000 Kunden testeten das Angebot, die Anzahl der registrierten Tesco-Kunden stieg um 76 Prozent, der Online-Umsatz des Händlers um 130 Prozent.
Auch in Deutschland wurden schon „virtuelle Filialen“ eröffnet, etwa vom Online- Händler Easycosmetic.de mit Großplakaten im Frankfurter Hauptbahnhof oder vom Streetware-Filialisten Snipes, der Stellwände mit Produktfotos aus seinem Schuh-Sortiment in der Kölner Einkaufsmeile Hohe Straße/Schildergasse aufbaute.
Bestellen über QR-Codes
Beide Unternehmen arbeiten mit der Mobile Shopping-Lösung der Firma Shopgate, Butzbach. „Wir erfinden QR-Codes neu“, schlägt Andrea Anderheggen, CEO von Shopgate, auf die Werbetrommel. Er verweist auf die Fehler, die beim Einsatz von QR-Codes bislang häufig gemacht werden: von der Weiterleitung auf nicht Smartphone-optimierte Websites bis hin zum fehlenden Nutzen und unattraktiver Bonifizierung der Angebote. Als Anbieter von Mobile Shopping zählt Shopgate Unternehmen wie ATU, Baby Walz, Libri, Gourmondo, Hessnatur, Snipes oder den Schweizer Bürohändler Office World zu seinen Kunden.
Sinnvolle Konzepte, einfache Prozesse, klare Nutzen-Versprechen sind die Erfolgskriterien.
Andrea AnderheggenQR-Code auf dem Drucker
Auf den Technologietagen 2012 des EHI Retail Institute stellte Anderheggen weitere QR-Anwendungen vor: etwa für Print-Kataloge, die über eingedruckte Codes oder über Bilderkennung die direkte Bestellung ermöglichen. Im Katalog des Versandhändlers Hessnatur etwa kann der Kunde eine Seite einscannen, über Bilderkennungstechnologie ein Produkt auswählen und direkt per Smartphone die Bestellung abschicken. Ein weiteres Beispiel: Bei Office World erhält der Käufer eines Druckers einen QR-Code-Aufkleber für das Gehäuse. Geht die Tinte aus, muss er nicht langwierig nach dem richtigen Patronen-Modell suchen, sondern kann den Code scannen und direkt bestellen. „Sinnvolle Konzepte, einfache Prozesse, klare Nutzenversprechen für die Kunden sind die Erfolgskriterien“, so Anderheggen.
Die Kundenansprache auf dem Mobiltelefon verspricht eine Up-Selling-Chance.
Patrick SetzerGeldbörse wird virtualisiert
Auch auf digitale Coupons setzen die Anbieter mobiler Dienste große Hoffnungen. In Deutschland werden jährlich rund 10 Mrd. gedruckter Coupons gestreut, die Einlösungsquoten bewegen sich bei rund einem Prozent. Gleiches gilt auch für die USA. Dort allerdings wird schon häufiger digital bonifiziert, und dort wird fast jeder zehnte digitale Coupon eingelöst. Für weiteren Auftrieb könnten künftig die „virtuellen (Geld-)Börsen“ sorgen – also zum Beispiel „Google Wallet“ oder die von Apple entwickelte Plattform „Passbook“, die als digitaler Aufbewahrungsort für Kundenkarten, Coupons oder Event-Tickets fungieren soll. Solche Dienste könnten dem Kunden das Gutschein-Handling erleichtern und die Akzeptanz von Gutscheinen erhöhen.
Ein Lösungsanbieter für digitales Couponing ist Bonusmagnet Networks, Hamburg. Die Firma stellt den Verbrauchern eine App zur Digitalisierung von Kundenkarten, Mitgliedskarten oder Bonuskarten zur Verfügung. Händler können innerhalb der App werben und so neue Kunden generieren bzw. über eine „White-Label“-Lösung die eigene App um digitale Coupons oder Kundenkarten erweitern – inklusive ortsbasierter Angebote: Zum Beispiel kann einem in der Nähe befindlichen Autofahrer per „Push Notification“ die Information auf sein Handy gespielt werden, dass der Besuch einer Tankstelle mit einer Gratis-Tasse Kaffee belohnt wird. Ein entsprechender Test bei einem Tankstellen-Betreiber ist in Vorbereitung. Patrick Setzer, Geschäftsführer von Bonusmagnet, meint: „Eine solche Kundenansprache auf dem Mobiltelefon verspricht dem Händler eine signifikante Up-Selling-Chance“.
Digitale Kundenkarte
Seit Anfang 2012 hat zum Beispiel der Hamburger Multichannel-Händler Golf House (Versandgeschäft und bundesweit 16 Filialen) mit Bonusmagnet verschiedene Mobile Couponing-Angebote gestartet und über eine digitale Kundenkarte unterschiedliche Rabatt-Coupons angeboten. „Die ersten Tests waren vielversprechend – wir glauben und merken deutlich, dass das Thema Mobile Couponing auch in unserer Zielgruppe stark wächst und dass wir dabei sein wollen und müssen“, erklärt Sven-Hendrik Timmermann, Bereichsleiter Versandgeschäft & Neue Medien bei Golf House.
Einstieg in Augmented Reality
QR-Shopping und digitales Couponing sind Bausteine einer Entwicklung, die die Shopping-Welt zunehmend verändern wird. Das Stichwort lautet „Augmented Reality“, also die Ergänzung der realen Wahrnehmung beim Einkauf durch virtuelle, interaktive Inhalte.
Dafür gibt es vielfältige Ansätze. Etwa die Option, per Live Stream Freunde in die eigene Shopping-Tour mit einzubinden und an Kaufentscheidungen zu beteiligen. Oder in Echtzeit die Erfahrungen von Facebook-Freunden mit einem Produkt abzurufen. Oder eine Uhr aus dem Katalog virtuell auf das eigene Handgelenk zu projizieren.
Das sind nur einige von vielen Beispielen. Dr. Michael Klein, Direktor des Frankfurter Instituts für Neue Medien und ebenfalls Referent auf der EHI-Tagung, empfiehlt dem Handel, diese Entwicklungen genau zu verfolgen: „Bauen Sie Kompetenz auf, aber bleiben Sie authentisch und steigen Sie nur dann in Experimente ein, wenn Sie genügend Spielgeld haben und wenn bei Ihren Kunden eine entsprechende technische Affinität vorhanden ist.“
Fotos (2): Shopgate