Trikots, Schals, Fahnen – der Fußball-Bundesligist Mainz 05 verkauft rund 15 Prozent seiner Fan-Artikel über das Internet, seit Mai 2012 auch mobil per App für iOS- und Android-Smartphones. Organisatorischer Unterbau aller Online-Aktivitäten von Media-Sportservice Mainz 05 ist die „eShop Professional Edition“ des Software-Entwicklers Oxid. Die Anwendung beinhaltet eine Standardschnittstelle zur Anbindung von Apps an den Online-Shop. „In unserem Fokus standen vor allem ein benutzerfreundliches Interface, das möglichst identische Funktionalitäten wie der Online-Shop bietet – inklusive Artikelbilder, Produktinformationen, Gutscheinoptionen etc.“, berichtet Karl-Heinz Elsäßer, Geschäftsführer von Media-Sportservice Mainz 05. Die Apps laufen laut Elsäßer „im Großen und Ganzen automatisch und problemlos, bei überschaubarem Personal- und Pflegeaufwand.“  

Für die eigentliche Herausforderung aber sorgte die Abbildung der warenwirtschaftlichen Prozesse im mobilen Kanal. In ihrem stationären, 200 qm großen und in das Stadion integrierten Fan-Shop arbeitet Mainz 05 mit einem speziellen, individuell konfigurierten Warenwirtschaftssystem. Eine solche Konstellation birgt Integrationsaufwand. Beispielsweise war der Abgleich von Artikelbildern zwischen ERP-System und Mobile Shop fehleranfällig. Außerdem gab es anfangs keine Möglichkeit, Wertgutscheine aus dem Warenwirtschaftssystem über die Shop-Software einzulösen. Eine weitere Herausforderung stellten die unterschiedlichen Preislogiken dar: Im Online-Shopsystem sind Bruttobeträge hinterlegt, die Apps zeigten jedoch Netto-Preise an. „Aufgrund der Flexibilität der Software sowie mit Unterstützung des Oxid- Partnernetzwerks konnten wir diese Herausforderungen bewältigen“, berichtet Elsäßer.

Dynamik beim M-Commerce

Vier E-Commerce-Lösungsanbieter im Überblick

Der Online-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz hat in Deutschland inzwischen die 7-Prozent-Marke erreicht – bei den Fast Moving Consumer Goods (FMCG) prognostiziert das Kölner Institut für Handelsforschung für 2012 sogar einen Online-Marktanteil von 11,7 Prozent. Der mobile Kanal spielt hierbei noch eine bescheidene Rolle: Nach einer Untersuchung der europaweit tätigen Agentur Zanox werden hierzulande bisher lediglich 2,4 Prozent der Online-Umsätze über mobile Endgeräte getätigt.

Die meisten deutschen Händler haben erkannt, dass sie auf den mobilen Kanal künftig nicht verzichten können.

Roland Fesenmayr

CEO Oxid eSales AG

Die jährlichen Zuwachsraten jedoch beeindrucken: Laut Zanox wuchs der Umsatz über Smartphones und Tablets von 2010 auf 2011 um 313 Prozent. Eine aktuelle Studie des Kölner E-Commerce-Center Handel (ECC) unterstreicht: „Mobile Commerce steht in Deutschland am Anfang einer äußerst dynamischen Entwicklung.“ Die vom ECC Handel befragten Experten erwarten ein deutlich schnelleres Wachstum des M-Commerce als bei der sogenannten Internet-Revolution.  

Handelsunternehmen scheinen diese Einschätzung zu teilen. „Unserer Erfahrung nach steht bei den Händlern Mobile Commerce ganz oben auf der Liste“, beobachtet Mark Holenstein, Vice President Central Europe beim Shopsoftware-Entwickler Hybris. „Die meisten deutschen Händler haben erkannt, dass sie auf den mobilen Kanal künftig nicht verzichten können“, sekundiert Roland Fesenmayr, CEO von Oxid eSales.

Mobile Commerce ist die Verbindung aller anderen Kanäle – traditionelles Web, Telefon und Ladengeschäft.

Lars Rabe

Direktor Europe Retail Practice Demandware

Angst vor Datensilos

Anregungen kommen dafür aus Ländern wie den USA und Großbritannien. „Dort sind die großen Handelskonzerne deutlich weiter in der Umsetzung ihrer M-Commerce-Strategien, dort sind die M-Commerce-Umsätze schon deutlich höher“, konstatiert Lars Rabe, Direktor Europe Retail Practice bei Demandware. Der international tätige Anbieter hat seine Anwendung bei weltweit rund 400 Unternehmen installiert. Demandware bietet eine Cloud-basierte Lösung mit offener Plattform, auf der Partnerunternehmen und Anwender ständig an der Optimierung der Performance arbeiten. Rabe schätzt, dass die Demandware-Kunden in England im Schnitt schon rund 20 Prozent ihrer Online-Umsätze über Smartphones und Tablets generieren. Der britische Händler Mothercare etwa, der stationär und online ein Sortiment rund um Babys und junge Mütter vertreibt, liegt laut Rabe schon bei einem rund 25-prozentigen M-Commerce-Anteil.

Für Online-Händler hat es oberste Priorität, über die verschiedenen Kanäle hinweg ein konsistentes Einkaufserlebnis zu schaffen.”

Andreas Kopatz

Business Development Manager Intershop Communications AG

In Deutschland dagegen zögern viele Händler noch bei der Umsetzung einer eigenen Mobile Commerce-Strategie. „Der Grund dafür ist die Angst vor einem weiteren, vom E-Commerce-Geschäft getrennten Kanal und vor zusätzlichen Datensilos“, so Mark Holenstein von Hybris. Die Software-Lösungen der diversen Anbieter ermöglichen es dem Händler zwar, in kurzer Zeit und für relativ wenig Geld eine Stand alone-Anwendung für das mobile Geschäft aufzubauen. Dies allerdings kann nicht mehr sein als eine Zwischenlösung – in Form einer Lern-Plattform mit dem Ziel, die Funktionalitäten zu verstehen und den M-Shop möglichst schnell in die bestehenden Vertriebsstrukturen zu integrieren. „Die technische Herausforderung liegt für Online-Händler in der Vernetzung der IT-Infrastruktur, damit über die verschiedenen Kanäle hinweg identische Produkt- und Kundendaten genutzt sowie interne Geschäftsprozesse synchronisiert werden können“, erklärt Andreas Kopatz, Business Development Manager bei Intershop Communications.

Großbaustelle Integration

15 Prozent seiner Fan-Artikel verkauft Mainz 05 über das Internet – auch mobil

Dabei stehen viele Handelsbetriebe vor hohen Hürden – insbesondere aufgrund der Vielfalt von Alt-Systemen in historisch gewachsenen IT-Strukturen. „Vielfach scheitert das Vorhaben an der Organisation von Infrastruktur und Prozessen“, beobachtet Roland Fesenmayr von Oxid. Durch Optimierungen bemühen sich die Anbieter, den Händlern diese Prozesse zu erleichtern – zum Beispiel durch die Optimierung von Schnittstellen, die den Import von Daten aus fremden Systemen ermöglichen.  

Entscheidend ist aber auch die eigene Mobile-Commerce-Strategie des Händlers. Im Vorteil ist, wer einen Schritt nach dem anderen macht und seine mobile Strategie auf einen funktionierenden, schon weitgehend in das gesamte Vertriebskonzept integrierten Online-Shop aufsetzen kann. Beim Bundesligisten Mainz 05 zum Beispiel wurde das Oxid-Shopsystem von vornherein direkt an Warenwirtschaft und ERP-System („ERP complete“-Software von Microtech) angebunden. Durch diese Architektur waren das stationäre Geschäft und der Online-Shop bereits miteinander verzahnt – die mobile Lösung konnte so relativ einfach auf schon abgebildete Geschäftsprozesse aufsetzen.

Existierende Prozesse nutzen

Erst ein voll integrierter Online-Shop, dann der mobile Baustein: Nach dieser Strategie verfährt auch Baumarkt direkt. Schon seit 2007 vertreibt das Joint Venture von Hagebau und der Otto Group über das Internet, Mitte 2011 wurde der Webshop auch für mobile Endgeräte optimiert. Technologische Basis dafür ist die „Enfinity 6.2“-Lösung sowie der „Mobile Connector“ des Software-Entwicklers Intershop Communications. „Durch die Integration des Mobile-Shops in den bestehenden Online-Shop ließen sich frühere Investitionen nutzen, da bereits existierende Shop-Prozesse wiederverwendet bzw. neu kombiniert werden konnten“, erklärt Jörn Hartig, Leiter E-Commerce bei Baumarkt direkt (siehe Interview).

Integrierten Ansatz schaffen, der alle bestehenden, neuen und zukünftigen Interaktionspunkte nahtlos einbindet.

Mark Holenstein

Vice President Central Europe Hybris

Wenn wie bei Baumarkt direkt die Integrations-Hausaufgaben gemacht sind, kann man sich den Feinheiten des M-Commerce zuwenden. So bietet hagebau.de seinen Kunden die Möglichkeit, mobil ihre Kontodaten selbstständig zu verwalten, den Hagebau-Newsletter zu bestellen oder in einer Wissens-Community Fragen an andere Heimwerker zu richten. Geplant sind darüber hinaus zusätzliche Location Based Services, das mobile Recherchieren der Verfügbarkeit von Stationär-Sortimenten sowie eine In-Store-Navigation, die Kunden durch das Sortiment des Hagebau-Marktes führt.

Abbildung: Baumarkt direkt

Schritt für Schritt

Jörn Hartig, Leiter E-Commerce bei Baumarkt direkt, über den Einstieg in das mobile Geschäft.

Wie gehen Sie strategisch an das Thema M-Commerce heran?

Die Basis sind einheitlich definierte Business-Kernprozesse. Es gibt bei uns keine Insellösungen, nicht bei den Prozessen und nicht bei den Sortimenten. Unser Angebot ist auf allen Kanälen kongruent. Ein zweiter Grundsatz lautet: Wir lassen uns nicht von äußeren Ereignissen, etwa der Markteinführung eines neuen Smartphone oder Tablet, zur Hektik verleiten. Wir gehen Step by Step vor.

Wie aufwendig war Ihr M-Commerce-Einstieg?

Der Aufwand war sehr überschaubar, weil wir auf einen voll funktionsfähigen, voll integrierten Online-Shop aufsetzen konnten, weil alle Prozesse zentral festgelegt waren und weil alle Produktdaten im zentralen ERP-System zur Verfügung stehen. Im Prinzip mussten wir lediglich einige neue Schnittstellen bauen.

Wie erfolgreich ist der mobile Kanal?

Absolut gesehen fallen die über mobile Endgeräte generierten Umsätze bislang noch kaum ins Gewicht. Die Wachstumsrate allerdings bewegt sich deutlich über der des Online-Shops. Entscheidend für uns ist momentan: Wir sammeln Erfahrungen über das Kundenverhalten beim mobilen Einkauf. Und wir arbeiten ständig an der Optimierung von Funktionen und Serviceangeboten.