Während der letzten Jahrzehnte wurde schon mehr als ein Nachruf auf das Geschäftsmodell Warenhaus verfasst. Warenhäuser seien teuer in Errichtung und Unterhalt, Gefangene ihrer riesigen Gebäude und nicht in der Lage mitzuhalten mit Fast Retailern wie Zara und H&M einerseits und Luxus-Retailern wie Prada oder Burberry andererseits. Die Warenhäuser antworteten, indem sie flexibel reagierten und neue Formate schufen.
Opfer dieser Entwicklung wurden kleinere, weniger glanzvolle Warenhäuser in kleineren Städten. Beispiele sind Karstadt in Deutschland und Macy’s in den USA. Auf der positiven Seite stehen gesundgeschrumpfte Unternehmen mit glanzvollen Flaggschiff-Häusern.
Galéries Lafayette: Kunst und Kommerz
Die Galéries Lafayette mit ihrem Flaggschiff in Paris sind ein High-End-Warenhaus-
unternehmen, das zeigen kann, wohin der Trend geht. So vergab das Unternehmen seinen Werbeetat nicht mehr an eine Agentur, sondern an einen Künstler. Gestalterisch werden nicht mehr konkrete Produkte in den Mittelpunkt gestellt, sondern das modische Stilverständnis dargestellt. Ein großer Event war die Eröffnung des Roland-Garros-Tennisturniers auf der Dachfläche der Galéries Lafayette. CEO Paul Delaoutre ist überzeugt, dass Galéries Lafayette seine Rolle als Handelsunternehmen quasi transzendiert hat, indem man viermal im Jahr als Kunstgalerie fungiert und Kunstmuseen Ausstellungsfläche im Schaufenster zur Verfügung stellt.
Im Oktober dieses Jahres feiern die Galéries Lafayette ihren 100. Geburtstag. Dafür wird das Flaggschiff am Boulevard Haussmann komplett renoviert. Es erhält eine neue, siebte Etage, ein neu gestaltetes Erdgeschoss und ein großes illuminiertes Kunstobjekt an der Fassade. Ein Ziel der Umgestaltung ist es, die Dutyfree-Bereiche zu vergrößern – Frankreich ist die Top-Destination für vermögende chinesische Touristen. Galéries Lafayette wollen auch die internationale Expansion weiterführen. Im November letzten Jahres wurde ein Haus in der Morocco Mall in Casablanca eröffnet.
Selfridges: das stationäre Facebook
Alannah Weston ist nicht nur die Kreativdirektorin von Selfridges in London, sondern auch die Tochter des Besitzer-Ehepaares, der Kanadier Galen und Hilary Weston. Sie bringt sehr konkret auf den Punkt, worin für sie das Zukunftsmodell Warenhaus besteht: in Zeiten des Internet für den Kunden relevant zu bleiben. Jetzt gehe es um „caring and sharing“. Der Kunde stehe im Mittelpunkt: „Die Ära des Customer Relationship Management ist vorbei! Der Kunde managt jetzt den Händler“, so Weston. „Die Zukunft unserer Branche lautet: befriend, bespoke and be fun“. Das meint: das Warenhaus als Freund des Kunden, das ihm maßgeschneiderte Angebote bietet und einen Ort, an dem er Spaß haben kann. „Der neue Kunde liebt es, alles zu teilen, ihm ist Convenience wichtiger als Privatsphäre“, meint Alannah Weston. „Man kann sich den Kunden zum Freund machen, indem man mit ihm Service und Kauferlebnis gegen Daten und Loyalität tauscht. Bei dieser Beziehung geht es nicht um Rabatte.“
Die Ära des Customer Relationship Managements ist vorbei!
Alannah WestonWestons Vision beinhaltet die Vorstellung, dass dem Kunden erlaubt wird, seine eigenen Kundendaten zu pflegen, um ihm dann zielgerichtet personalisierte Angebote machen zu können – ebenso wie ein personalisiertes Informationsangebot, dessen Daten idealerweise zwischen Händler und Konzessionären abgestimmt sind. Dies mache für das Warenhaus und die Konzessionäre das Marketing und die Datenanalyse effektiver.
Selfridges setzt auf Entertainment auf seiner Dachfläche. Die für ihre Skulpturen aus Wackelpudding bekannten Food-Designer Bompas & Parr wurden beauftragt, einen Neun-Loch- Golfplatz aus Kuchen zu fabrizieren. Jedes der Löcher zeigt eine Sehenswürdigkeit von London. Dieser Golfplatz ist Teil einer 200 Bäume umfassenden Landschaftsarchitektur auf dem Warenhausgebäude. Anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums von Queen Elizabeth und der Olympischen Spiele in London wurde nicht gerade klein gedacht. In dieser Umgebung kann der Besucher „den höchstgelegenen Nachmittags- Tee der Oxford Street“ einnehmen. Das Café serviert biologische Speisen auf einer Picknickfläche.
Marks & Spencer: Verschmelzung der Kanäle
Online spielt eine wichtige Rolle in der Evolution der Warenhäuser. Marks & Spencer hat sich dies auf die Fahnen geschrieben und eine „Bricks & Clicks“ genannte Strategie entwickelt. Diese ist zu besichtigen in dem Flaggschiff des Unternehmens auf der Pariser Avenue des Champs-Élysées, mit dem das britische Warenhausunternehmen auf den französischen Markt zurückgekehrt ist.
Auf der Fläche können die Kunden Ware aus dem Online-Shop ordern. Dafür stehen zwei Kioske mit Touchscreen und zwei fest installierte iPads zur Verfügung. In diesem ersten M&S-Haus, das nach der neuen Strategie entwickelt wurde, können Kunden Mode, Damenwäsche und eine Auswahl von Lebensmitteln online ordern, insgesamt rund 10.000 Artikel. Für den Fall, dass der Kunde Hilfe bei Auswahl und Eingabe möchte, stehen Mitarbeiter bereit. Die Auslieferung ist innerhalb ganz Frankreichs möglich.
Debenhams: Doppelstrategie
Auch das britische Warenhausunternehmen Debenhams verfolgt eine moderne Strategie: die Forcierung des Online-Geschäfts in den gesättigten Märkten und gleichzeitig die Eröffnung neuer stationärer Franchise-Geschäfte in den Emerging Markets. Diese Strategie nennt das Unternehmen „Endless Aisle“ und evoziert damit das Bild eines Kundenlaufes, der geradewegs in den Bildschirm eines Computers hineinläuft und dort nahtlos in den Webshop übergeht. Ziel ist die Omnichannel-Präsenz. Debenhams hat seine Verkaufsflächen mit Kiosk-Terminals für die Warenbestellung ausgestattet. Die bestellten Waren können aus den Filial- oder den Zentrallagern abgerufen werden.
Debenhams konnte durch das Online- Geschäft seinen Umsatz steigern. Man rechnet für die Zukunft damit, 20 Prozent seines Umsatzes durch das internationale Online-Geschäft zu generieren. Die Zahl der Länder, in die Debenhams Waren liefert, betrug 2011 7 Länder und soll Ende dieses Sommers 67 Länder betragen. John Scott von Debenhams geht davon aus, dass sein Unternehmen das Online-Geschäft nicht in die Länder der Emerging Markets ausweiten wird, um die dortigen Franchise-Partner nicht zu irritieren. Abgesehen davon ist in solchen Ländern auch die Lieferlogistik oft schwierig. Scott geht eher davon aus, dass es darauf hinauslaufen wird, dass Debenhams seinen Franchise-Partnern den nationalen E-Commerce überlassen wird und damit auch die Nutzung des Debenhams-Webshop für diesen Zweck – in der Hoffnung, das daraus ein Win-Win-Geschäft entsteht.
Scott sieht die Zukunft der Warenhäuser darin, dass sie ein hohes Maß an Flexibilität zeigen und sich damit passgenau in ein breites Spektrum von Märkten und Standorten einfügen. „Ein Vollsortiment-Warenhaus ist für einen neuen Markt nicht unbedingt geeignet“, so Scott. „Die Lösung besteht darin, ein Angebot für alle möglichen Formate zu haben, die genau zu dem einzelnen Standort passen.“
IGDS
Die Intercontinental Group of Department Stores wurde 1946 in Zürich gegründet, wo auch heute noch der Sitz ist. Die IGDS versteht sich als Non-Profit-Organisation, die den in ihr organisierten gut 30 internationalen großen Warenhausunternehmen eine Plattform für die Schaffung von Synergien und den Austausch von Inspirationen bietet.
Weitere Informationen: www.igds.org