Der Düsseldorfer Merchandiser Domagoj Mrsic stellte Schaufensterfiguren mal als Heroes dar, als Superman und Wonder Woman, Batman und Catwoman, Spiderman und Spiderwoman. Und irgendwie hat er ja Recht. In gewisser Weise sind Display-Mannequins Helden. Gut inszeniert hauchen sie Schaufenstern und Instore-Dekorationen Leben ein, geben Unternehmen Profil, wecken Interesse an deren Produkten und werden zum verkaufsfördernden Stimulans. „Als sympathische Türöffner zum Herzen der Kunden“ bezeichnet Heike Dauber die Figuren am Eingang der Herrenwäsche-Abteilung des Modehauses Leffers in Oldenburg. Es handelt sich um die Hans Boodt-Serie „Ugly‘s“, die statt wohlgeformter Modelkörper Männer aus dem wahren Leben nachahmt – augenzwinkernd und bewusst einen Schuss überzeichnet. Bei Leffers werden die drei Herren gerne dazu passend in weiße Feinripp-„Dessous“ gekleidet. „Sie sind wirklich ein Coup“, schmunzelt Heike Dauber, die für Ein- und Verkauf der Wäsche verantwortlich ist und zufrieden wahrnimmt, dass Besucher die Fläche mit einem entspannten Lächeln betreten.
Gruppendynamik liegt im Trend
Ob Superheroes oder lustige Normalos: Beide Beispiele sind Ausdruck dessen, was Experten der Branche gerade als Trend ausmachen: „Mehr als bisher treten Figuren in Gruppen auf, interagieren miteinander, erzählen Geschichten und versuchen, mit dem Betrachter in Kontakt zu kommen“, sagt John Penther, Geschäftsführer des Unternehmens Penther, Winsen/Luhe. Damit einhergehend: „Das soldatisch anmutende Aufreihen von statischen Schaufensterpuppen in stramm stehenden Positionen ist auf dem Rückzug. Gegenwärtig sind stattdessen wieder viel Gefühl und Bewegung zu entdecken“, erkennt Thomas Wimmer, Country-Manager für die D-A-CH-Region der dänischen Retailment-Gruppe, zu der die Marken Hindsgaul und Darrol gehören. Liebe zum Detail ist gefragt, weiß John Penther: „Kopfhaltungen variieren mehr als früher, bereits ein leicht anderer Neigungswinkel lässt Figuren jünger oder älter wirken, und schon ein kleiner Knick in der Hüfte vermittelt deutlich mehr Schwung.“
In Schwung scheinen die ganze Branche und ihre Abnehmer aus dem Handel zu kommen. Immer seltener jedenfalls präsentieren sie sich kopflos. Headless-Lösungen waren sowohl bei Büsten als auch bei Figuren der Trend der letzten Jahre. „Damit kann man nichts falsch machen“, meint Andreas Gesswein, Geschäftsleitung Genesis Display, Auetal, und berichtet nun von einer Weiterentwicklung mit mehr Mut zu Profil: „Vielfach sind jetzt Kunstobjekte auf den Hälsen zu sehen.“ Die momentan stärkste Verbreitung haben indes „Eierkopf-Figuren in Hochglanz-Weiß, Beton-Grau oder Matt-Weiß“. Die Vorteile liegen auf der Hand: Abstrakte Display-Mannequins sind „easy going“, lassen sich auch von nicht ausgebildeten Kräften leicht handhaben und überdies flexibel, mitunter zielgruppenübergreifend, einsetzen. Wobei Dr. Josef Moch, Geschäftsführer Moch Figuren, Köln, feine Unterschiede betont: „Bei uns haben selbst gesichtslose Figuren Kontur – dank subtiler Details wie unterschiedlicher Gesichtsrundungen sind Lebensalter und soziale Herkunft zu erkennen.“
Vielfalt in Farbe und Material
Dass trotz Dominanz von Eierköpfen von Einheits-Look keine Rede sein kann, dafür sorgen die angebotene Farbpalette und Materialvielfalt. „80 Prozent unserer Umsätze erwirtschaften wir generell mit kundenspezifischen Lösungen“, unterstreicht Cornel Klugmann, Country-Manager für die D-A-CH-Region beim niederländischen Anbieter Hans Boodt. „Bei uns werden vermehrt Vintage-Finishes wie Betonoptik, Schleiftechnik oder auch mit Papier beklebte Oberflächen nachgefragt“, sagt IDW-Deutschland-Geschäftsführer Jörg Döring, Duisburg und ergänzt: „Wir haben auf der diesjährigen Messe GlobalShop in Las Vegas sogar erstmals Vollfiguren mit vollständigem Stoffbezug vorgestellt.“ Der technische Fortschritt in puncto Oberflächen ist beachtlich: Andreas Gesswein erwähnt beispielhaft haptische Oberflächen wie Samt und Gummi, Metallic-Lackierungen sowie digitale Beschichtung und Floating-Finish, womit sich nahezu jede Fotooptik auf Figuren bringen lasse. Der promovierte Chemiker Josef Moch entwickelte mit einem Lackhersteller neue Lacke, mit denen Mannequins auch länger neu aussehen, indem diese schmutzabweisender und widerstandsfähiger gegen Kratzer werden.
Marktlücken entdeckt und gefüllt
Über die „oberflächliche“ Ebene hinaus ist die Innovationsfreude groß. Hindsgaul kreierte mit „Box Man“ eine Figurenserie, die zuvor ungenutzte Plätze am POS wirkungsvoll ausfüllen soll wie Regal-Zwischenräume oder Treppengeländer. Weitere Neuheit der Dänen: das Mannequin „Packshot“, das für 3D-Modefoto-Produktionen gedacht ist, wie man sie für Online-Shop- und Katalog-Bebilderungen braucht. Dank eines herausnehmbaren Keils am Hals lassen sich auf den kopflosen Puppen auch die Innenseiten (Label) der Kleidungsstücke darstellen, ohne dass – wie bisher – nachträglich retuschiert werden muss. Die gerade Stellung ohne Füße und Hände ermöglicht zudem schnelles Anund Ausziehen. So lassen sich Zeit und Geld sparen. Genesis Display hat derweil interaktive Figuren lanciert. Auf deren doppelschichtigen Brillen können mit Leuchtschrift wechselnde Botschaften kommuniziert werden, zum Beispiel die Markennamen der ausgestellten Ware.
Zurzeit geht die Entwicklung etwas stärker von den abstrakten zu den semi-abstrakten Serien mit stilisierten Gesichtszügen und leicht anmodellierten Haaren über.
Christian BrucknerZurück zu den konkreten Figuren-Trends, bei denen – wie erwähnt – die „Eierköppe“ eine starke Rolle spielen. Aber: „Zurzeit geht die Entwicklung etwas stärker von den abstrakten zu den semi-abstrakten Serien mit stilisierten Gesichtszügen und leicht anmodellierten Haaransätzen über. Nach wie vor werden auch naturalistische Figuren mit Gesicht, Make-up und Perücken gekauft“, berichtet Christian Bruckner, Head of Visual Merchandising bei Euro Display, Rinteln. „Je hochwertiger das Segment, desto abstrakter die Figur“, nennt Dr. Josef Moch eine Leitlinie, an der man sich derzeit orientieren kann. „Im Casual-Jeans-Bereich sind hingegen wieder naturalistische Display-Mannequins zu sehen, gerne arabisch oder afrikanisch anmutend und auch mit verrückten, farbigen Perücken.“
Fotos: Leffers (1), IDW (1), Moch Figuren (2), Genisis Displays (1), Visplay (1)
Investitionsbereitschaft „Figuren werden wieder wichtiger“
„Der Handel investiert deutlich mehr in Schaufensterfiguren als noch 2009/2010, Display-Mannequins gehören fast bei allen Kunden zum Budget für Neu- und Umgestaltungen“, freut sich Jörg Döring, Geschäftsführer IDW Deutschland. „Das gilt besonders für den deutschsprachigen Raum. Zahlreiche mittlere und größere Projekte wurden kürzlich umgesetzt beziehungsweise bahnen sich an“, stellt auch Thomas Wimmer, Country-Manager D-A-CH-Region bei Retailment, eine positive Nachfrage-Entwicklung fest. „Gerade die Filialisten expandieren und haben dementsprechend Bedarf“, ergänzt Christian Bruckner, Head of Visual Merchandising bei Euro Display, Rinteln. Anziehende Konjunktur und Expansionsfreude steigern die Nachfrage, die Wertschätzung für Figuren scheint indes insgesamt gestiegen zu sein: „Der Handel hat erkannt, dass er der stationären wie der Internet-Konkurrenz durch individuelles Visual Merchandising etwas entgegensetzen, sich profilieren und Begehrlichkeit wecken kann“, unterstreicht Cornel Klugmann, Country-Manager für die D-A-CH-Region bei Hans Boodt. „Doch das erfordert auch Profis, die inszenieren können. In den letzten Jahren war die Zahl der Schauwerbegestalter im Markt rückläufig“, berichtet Andreas Gesswein, Geschäftsleitung Genesis Display, Auetal, der ein positives Indiz des Wandels unter anderem darin sieht, dass im Herbst dieses Jahres der neu eingeführte Bachelor/Master-Studiengang „Retail Design“ an der Fachhochschule Düsseldorf startet.