Im Kölner Friesenviertel, in loftiger Backstein-
und-Glas-Atmosphäre, haben The Store Designers ihr Domizil. Gegründet wurde die Designagentur 2004 von der heute 36-jährigen Inhaberin und Kreativdirektorin Silvia Talmon. Inzwischen gibt es 12 feste Mitarbeiter und eine namhafte Klientenliste. Diese setzt sich zusammen aus großen, kommerziellen Wirtschaftsunternehmen einerseits und kleinen, sozial und nachhaltig orientierten Institutionen andererseits. Diese Mischung aus „Kommerz und Sinn“ ist Silvia Talmon wichtig. In der Arbeit für ihre Klienten vertritt sie einen pragmatischen Ansatz, der den kommerziellen Erfolg immer im Blick hat, ihre Agentur selbst bezeichnet sie als „autark und nicht umsatz- und trendgetrieben.“ Trotz ihrer noch jungen Jahre ist Silvia Talmon eine altgediente Praktikerin, deren Karriere eng mit dem Namen Ikea verbunden ist. Mit 16 Jahren begann sie eine Ausbildung zur Schauwerbegestalterin bei Ikea. In erster Linie, weil es ein internationales Unternehmen ist, denn bereits in diesem Alter hatte sie nur ein einziges Ziel vor Augen: ins Ausland zu kommen. Doch nach den drei Lehrjahren verlangte Ikea erst einmal von ihr, in Deutschland ein Haus mit aufzubauen, das machte sie in Hanau. Danach verlangte Ikea, sie müsse nun erst einmal in Deutschland Führungserfahrung sammeln, das machte sie in Saarlouis. Und dann war Ikea, so Talmon, schließlich der Meinung, dass man auf eine so gut ausgebildete Führungskraft nun in Deutschland nicht mehr verzichten könne. Talmon hatte aber inzwischen auf eigenen Auslandsreisen Kontakte zu internationalen Ikea-Häusern geknüpft und ging 1999 nach Peking, wo sie das erste Ikea-Haus in der chinesischen Hauptstadt miteröffnete. „Als ich dann zu Weihnachten aus Peking zurückkam“, erzählt Talmon, „rief am nächsten Morgen, ich hatte noch nicht einmal ausgepackt, Inter Ikea Systems an und fragte mich, ob ich das erste russische Haus in Moskau mit aufbauen wolle. Ich fragte, wann es denn losgehen sollte, und die Antwort war: Morgen.“ Zwei Jahre blieb sie bei Ikea Moskau. Eine eindrückliche Erfahrung dieser Zeit war die Zusammenarbeit mit Ikea-Gründer Ingvar Kamprad.
Kunden, die mit uns arbeiten, die wollen etwas weiterentwickeln, die wollen wirklich unsere Meinung hören.
Silvia TalmonMarktforschungs-Schätze heben
Parallel zu ihrer Arbeit besuchte Talmon das
Ikea-College in Delft, ein innerbetriebliches Studium. „Meine größte Erfahrung war aber die Arbeit im Verkaufsraum. Ich weiß nicht, wie viele Paletten ich in meinem Leben schon bewegt habe. Man sieht vor Ort, wie sich die Verkaufszahlen verändern. Wenn ich heute eine Diskussion mit einem Logistiker oder einem Verkäufer führe, dann kann ich das mit echtem Fachwissen tun.“ Bis zur Gründung ihrer eigenen Designagentur erwarb sie sich noch drei Jahre strategische Erfahrung in der Ikea-Zentrale in Wallau. Ikea nahm sie als ersten Kunden und als „Startkapital“ mit in die Selbstständigkeit. Bis heute entwickeln The Store Designers laufend Projekte für Ikea, zurzeit das Konzept für eine neue Kinderabteilung. Über ihre Agentur sagt Silvia Talmon: „Wir arbeiten sehr skandinavisch.“ Das bedeutet: Fachkompetenz zählt, nicht Hierarchie. Wichtig ist Flexibilität, „keiner unserer Mitarbeiter muss sich am Schreibtisch in Köln festhalten. Damit sind wir gut durch die Wirtschaftskrise gekommen, wir sind so unter dem Radar geflogen.“
Die Agentur versteht sich im Kern als Markenstrategie- und Verkaufsförderungs-Agentur: Wie platziere und inszeniere ich die oftmals überall gleichen Produkte, damit diese gerade bei mir gekauft werden? Mit Fachleuten vom Marketingstrategen über den Innenarchitekten bis zum Produktdesigner wird idealerweise der komplette Prozess vom ins Leben Rufen einer Marke über die Ladeneröffnungs-PR bis zur Mitarbeiterschulung abgedeckt – ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren. In den meisten Fällen macht Silvia Talmon die Erfahrung, dass in den Unternehmen in umfangreichen Aktenordnern Marktforschungs- Schätze schlummern, für die kein Mitarbeiter die Zeit hat, sich durchzubeißen und sie auszuwerten. Andererseits gibt es Klienten wie die Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Duisburg, deren Leiterin freitags anrief und sagte, man wolle in vier Wochen – aus dem Nichts – einen Laden für Werkstätten-Produkte eröffnen. Ob sie das machen könnten. Am nächsten Montag war, ohne dass man sich je persönlich gesehen hätte, das Geld auf dem Agenturkonto. Der Laden Ars Vivendi zeigt die Werkstätten-Produkte selbstbewusst in einem hochwertigen, künstlerisch gestalteten Verkaufsambiente. Im Mai 2011 eröffnet das bereits zweite gastronomische Projekt, das The Store Designers für die Duisburger entwickelt haben. Im „Ziegenpeter“ im Rheinpark werden nur regionale und saisonale Lebensmittel verkauft und serviert. Jedes Marmeladenglas, das Food-Design jedes Gerichts wurde von der Agentur kreiert.
Im Marken- und Storedesign erkennt Silvia Talmon zwei große Trends, die ihrer Meinung nach die Zukunft bestimmen werden: zum einen der Trend zu Digital Signage und Multimedia auf der Fläche, und zum anderen den Gegentrend dazu: Entschleunigung und Ruhe, keine visuelle Überforderung. In beiden Bereichen hat die Agentur in jüngsten Projekten gearbeitet. Für die stationären Reisebüros von Sonnenklar TV haben The Store Designers ein neues Konzept entwickelt, das in dem im September 2010 in München eröffneten Flagshipstore zum ersten Mal umgesetzt wurde. Hier ist schon durch das gleichnamige Fernsehformat die Verbindung zur Kommunikation via Bildschirm gegeben. In einem lässigen Loungebereich wird dieses Fernsehprogramm auf einem Großbildschirm eingespielt. Im Sonnenklar TV Reisebüro gibt es keine Prospektwände und Flyer mehr. Die Wand entlang reihen sich Flachbildschirme, auf denen Werbefilme gezeigt werden, die der Berater per Fernbedienung steuern kann. Aufgeräumt haben The Store Designers mit der „Beamten-Atmosphäre“ der Reisebüros alten Typs. Wo sich früher der Experte und der Fragesteller durch den Schreibtisch getrennt gegenübersaßen, sitzen heute der Berater und der sowieso bestens durch das Internet informierte Kunde gemeinsam an einem runden Tisch und schauen in den Bildschirm – oder im Loungebereich auf das iPad. Denn was „der neue Tourist“ im Reisebüro sucht, ist ein Navigations-Service durch das Angebot und das Vertrauen in eine Person, die für ihre Reiseempfehlung die Verantwortung übernimmt, sagt Silvia Talmon. Ihre Agentur arbeitet jetzt am Rollout, in den nächsten zwei Jahren sollen 300 Filialen auf das neue Konzept umgestellt werden.
Ganz anders dagegen das Konzept, das The Store Designers für das Rewe-Format Temma entwickelten, ein Biosupermarkt mit Nachbarschaftsladen-Funktion. Der Pilot-Markt in Köln, sehr atmosphärisch eingerichtet mit klassischen Lagerregalen aus Stahl und warmem, dunklem Holz, soll Ruhe ausstrahlen und die „Loha“-Klientel zur Entschleunigung einladen. Silvia Talmon schildert die Mittel: „Da kommt der Kunde nach der Arbeit rein und legt erstmal seine Jacke an der Garderobe ab. Dann benutzt er vielleicht die Toilette, um sich frisch zu machen. Danach setzt er sich im Gastronomiebereich hin und isst erstmal was. Und dann überlegt er in Ruhe, was er einkaufen möchte. Das ergibt eine ganz andere Verweildauer.“ Den Temma-Rollout wird Rewe inhouse machen, The Store Designers arbeiten bereits an einem neuen Format.
Fotos (5): Christian Rudnik/The Store Designers und
Veronika Grunst/The Store Designers
The Store Designers
Adresse: The Store Designers, Friesenstraße 50, 50670 Köln
Gegründet: 2004
Gründerin und Inhaberin: Silvia Talmon
Mitarbeiter: 12
Geschäftsfelder: Retail Design, Interior Design, Exhibition Design, Workshops und Seminare
Kunden historische und aktuell (Auswahl): Ikea, Habitat, Vitra Design, ABN Amro Bank, MediMax, Tchibo, E-Plus/Base, Rewe (Temma), Giant Fahrräder, Sonnenklar TV Reisebüro, VDT Verband deutscher Tapeten
Web: www.the-store-designers.com