Photovoltaikanlagen auf Dächern von Einzelhandelsfilialen sind inzwischen ein gewohnter Anblick. Angesichts attraktiver Einspeisevergütungen haben etliche Unternehmen in den vergangenen Jahren in Solartechnik investiert. Diese Vergütung hat die Bundesregierung für alle neuen Anlagen deutlich gekürzt. Attraktiv bleibt die Photovoltaik trotzdem: Die Module werden billiger und die Stromtarife teurer. Aufgrund dieser Entwicklung wird es günstiger, selbst produzierte Energie auch selbst zu verbrauchen. Und sie nicht wie bisher ins Netz einzuspeisen und für den Eigenbedarf bei einem Versorger einzukaufen. Je höher die Strompreise steigen, umso attraktiver wird also das Modell „Eigenverbrauch von Solarstrom“.
Außerdem passt bei vielen gewerblichen Stromkunden – speziell bei Supermärkten – der Energiebedarf im Tagesverlauf oft gut zu den Zeiten, in denen besonders viel Solarstrom produziert wird. Das zeigen die Standardlastprofile des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Im Gegensatz zur Netzeinspeisung ist der Eigenverbrauch von Solarstrom jedoch für viele Einzelhandelsunternehmen noch ungewohnt. Das soll ein Modellprojekt für den gewerblichen Eigenverbrauch von Solarstrom ändern. CentroPlan, ein Joint Venture von Centrosolar und Pohlen Bedachungen, hat in diesem Jahr auf den Verkaufsfilialen eines süddeutschen Lebensmittel-Discounters 100 Photovoltaik-Dachanlagen mit einer Gesamtleistung von 8 Megawatt installiert, deren Strom zu 90 Prozent in den Filialen selbst verbraucht werden soll. Dabei soll jede der etwa 80 Kilowatt starken Anlagen bis zu 45 Prozent des Strombedarfs der Filiale decken.
Solarstrom immer günstiger
Auch der Versorger RWE plant eine Photovoltaik-Initiative für die Dächer deutscher Handelsunternehmen. Variante eins: Über das laufende Projekt „virtuelles Kraftwerk“ soll Strom aus bereits bestehenden Solaranlagen gebündelt und direkt vermarktet werden, unterstützt vom Marktprämienmodell des aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Variante zwei: Gemeinsam mit seinen Partnern will RWE Vertrieb eigene oder Gemeinschafts-Solaranlagen auf deren Gewerbedächern errichten, bevorzugt auf Supermärkten, Möbelhäusern und Logistikgebäuden. Wer die Installation vornimmt und welche Komponenten verwendet werden, hängt vom jeweiligen Projekt ab. „Idee dabei ist, dass die erzeugten Strommengen je nach Bedarf der Partner selbst verbraucht oder ins Netz eingespeist werden“, sagt Kommunikationsleiter Martin Rothenberg. Das Investitionsvolumen sei noch nicht genau beziffert, gleichwohl stünden Gelder dafür bereit. Technisch ist es kein Problem, den auf dem eigenen Dach erzeugten Strom zumindest teilweise selbst zu verbrauchen. Ob es auch betriebswirtschaftlich Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt – der Stromrechnung der jeweiligen Filiale.
Ist die Installation einer Photovoltaikanlage bereits beschlossene Sache, lohnt sich ein Eigenverbrauch immer dann, wenn die dadurch eingesparten Netto-Stromkosten höher liegen als die übliche Einspeisevergütung. Bei einer Dachanlage, die beispielsweise im Oktober 2012 ans Netz geht, gibt es für den Solarstrom je nach Größe noch zwischen 12,71 und 18,36 Cent netto. Für Anlagen, die in den folgenden Monaten installiert werden, liegen die Sätze wegen der beschlossenen monatlichen Degression bereits niedriger. Ab Januar 2014 unterliegen auch jetzt installierte Anlagen, die größer sind als 10 Kilowatt, zusätzlich dem sogenannten Marktintegrationsmodell. Das bedeutet, dass die Anlagenbetreiber nur noch für 90 Prozent des erzeugten Stroms die Einspeisevergütung erhalten, die übrigen 10 Prozent erlösen – sofern sie nicht selbst verbraucht werden – lediglich den aktuellen Spotpreis der Strombörse EEX.
Bei der Berechnung der Frage, ob die Installation einer Photovoltaikanlage die Energiekosten reduziert, müssen die sogenannten Gestehungskosten für den Solarstrom berechnet werden, das heißt wie teuer eine auf dem eigenen Dach produzierte Kilowattstunde ist. Dabei kommt es auf den genauen geografischen Standort, die Ausrichtung der Anlage sowie Preis und Leistung der verwendeten Komponenten an – eine komplizierte Berechnung, für die Photovoltaikunternehmen in der Regel Simulationssoftware verwenden. Eine im Mai veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zeigt, dass selbst bei kleineren Photovoltaikanlagen die Gestehungskosten in Deutschland nur noch zwischen 13,7 und 16,5 Cent liegen – Preise, die durchaus mit den Tarifen der Energieversorger mithalten können. Die Forscher prognostizieren, dass selbst erzeugter Solarstrom sogar für viele große Gewerbebetriebe trotz spezieller Großkundenkonditionen der Stromversorger bald günstiger sein könnte als der Strom aus der Steckdose. „Wir stehen an der Schwelle, an der es für deutsche Industrieunternehmen mit einem Verbrauch zwischen 500 und 2.000 Megawattstunden günstiger sein wird, selbst erzeugten PV-Strom zu verbrauchen, als Strom bei Kosten von 0,125 Euro pro Kilowattstunde aus dem Netz zu beziehen“, heißt es in der Studie.
Eigenverbrauch interessant machen
Einen Bonus für selbst erzeugten und verbrauchten Solarstrom, den das Erneuerbare-Energien-Gesetz seit 2009 vorsah, gibt es seit dem 1. April 2012 nicht mehr. Denn im Zuge der jüngsten EEG-Novelle kam der Gesetzgeber zu dem Schluss, dass bereits die steigenden Stromkosten in Kombination mit den sinkenden Anlagenpreisen den Eigenverbrauch interessant machen und ein weiterer Anreiz nicht mehr nötig ist. Matthias Reichmuth vom Leipziger Institut für Energie ist allerdings der Auffassung, dass bei der betriebswirtschaftlichen Betrachtung einer Photovoltaik-Investition nicht nur die Eigenverbrauchsquote eine relevante Größe ist, sondern auch der Anteil des genutzten Solarstroms am gesamten Strombedarf, der sogenannte Autarkiegrad.
Beispiel Supermarkt: Dort ist die Eigenverbrauchsquote besonders hoch, da insgesamt deutlich mehr Strom verbraucht wird, als angesichts der zur Verfügung stehenden Fläche auf dem eigenen Dach erzeugt werden kann. Der Autarkiegrad jedoch ist in diesem Falle eher gering – und damit in der Gesamtbetrachtung der Stromkosten auch der betriebswirtschaftliche Vorteil. Reichmuth zufolge kann sich der Eigenverbrauch grundsätzlich für Betriebe lohnen, bei denen viel elektrischer Strom tagsüber gebraucht wird – und die unter dem Dach, wo die Photovoltaik erzeugt wird, stark Energie verbrauchende Geräte haben. „Ein klassisches Beispiel dafür sind Supermärkte: Sie haben einen ziemlich hohen Stromverbrauch und meistens flache, ungenutzte Dächer.“ Wenn die Berechnungen und Szenarien zum Eigenverbrauch stimmen, dürfte die Zahl der ungenutzten Dächer allerdings schnell sinken.
Automatisch sparen
Eine Einsparung von mindestens einem Drittel der Energiekosten in Verkaufsfilialen versprechen integrierte Steuereinheiten wie die Retail-Box aus dem Hause bk services GmbH. Sie steuern alle Energieverbraucher vollautomatisch nach dem tatsächlichen Bedarf, ohne den Filialbetrieb irgendwie einzuschränken. Einbezogen werden alle Verbrauchsstellen wie Lüftung, Heizung, Luftschleier, Automatiktüren oder Storebeleuchtung für Innen und Außen. Dabei reagiert die Steuereinheit auf Parameter wie Außentemperatur, Uhrzeit, Dämmerungsgrad oder CO2-Gehalt der Luft im Verkaufsraum. Frischluft wird beispielsweise erst dann zugeführt, wenn der CO2-Wert die Marke von 800 ppm überschreitet. Regelungsventile an den Heizkörpern stellen diese automatisch auf Normtemperatur. Durch die Integration der Eingangstüren schließt das Betriebsystem bei geringer Kundenfrequenz selbsttätig die Türen und stellt die Türluftschleier ab. Bei einer höheren Kundenfrequenz können beispielsweise die Beleuchtung der Werbereklame und die Schaufensterbeleuchtung angepasst werden.
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