Ein Warenvorschub ist eine technische Vorrichtung, die Produkte in Regalen oder Displays mittels Federkraft oder auf Rollbahnen kontinuierlich – nach Entstehen einer Grifflücke – an die Front des Warenträgers schiebt. Die ersten, wenig praktikablen Vorrichtungen wurden bereits vor 90 Jahren entwickelt. Seinen – weltweiten – Siegeszug hat der automatische Warenvorschub aber erst in den letzten 10 Jahren angetreten. Pionierarbeit hat dabei das 1998 im ostwestfälischen Bad Salzuflen gegründete Unternehmen POS Tuning Udo Voßhenrich geleistet. Zielsetzung ist bis heute das „Tuning“, also das Optimieren der Produktpräsentation am Point of Sale. Ein erster Großauftrag von dm-drogerie markt im Jahr 2000 brachte den Durchbruch. Im Jahr darauf konnte eine internationale Ausschreibung von Philip Morris im Wettbewerb mit 10 Anbietern aus der ganzen Welt an Land gezogen werden.
Aus der Erkenntnis heraus, dass nur gekauft werden kann, was der Kunde auch sieht, hat Udo Voßhenrich als erstes Produkt ein automatisches Warenvorschubsystem entwickelt. Der Sohn Oliver Voßhenrich ist in zweiter Generation in der Geschäftsführung tätig. Treibende Kraft für die Entwicklung ist die Markenartikelindustrie. Aktuell wird zum Beispiel ein für Unilever weiterentwickeltes System für die stehende, zugriffsfreundliche Präsentation von Tütensuppen in 19 Ländern europaweit ausgerollt.
Genau austariert
Das Grundprinzip des Warenvorschubs, mit einer Rollfeder, deren Kraft exakt auf das jeweilige Produkt eingestellt ist, den Warenvorrat im Regal vorzuschieben, ist bis heute Standard. Die Systeme entfalten eine progressive Kraft, entsprechend dem Füllstand des Regals: Volle Vorschubkraft bei vollem Regal, abnehmende Vorschubkraft bei abnehmendem Warenbestand. Der technische Fortschritt findet heute auf Molekularebene statt. So ist es POS Tuning in Kooperation mit Hochschulen und Spezialisten der Kunststofftechnik gelungen, den Reibwiderstand der Gleitschienen, auf denen sich die Ware bewegt, auf ein Minimum zu reduzieren. Das hat den Vorteil, dass der Kraftaufwand, der beim Nachfüllen der Ware für das Spannen der Feder benötigt wird, gegenüber dem Vorgängersystem um 25 Prozent gesunken ist. Außerdem kann so der Vorschub noch exakter eingestellt werden.
Neben POS Tuning sind heute mehrere Anbieter von Vorschubsystemen im deutschen Markt aktiv. Die Oechsle Display Systeme, Leipheim, deckt mit verschiedenen Systemen alle typischen Einsatzbereiche quer durch die Sortimente ab. Das System „Variotray“ beispielsweise wurde für kleine und leichte Produkte wie Zigaretten, OTC oder Drogerieartikel mit Packungsbreiten zwischen 40 und 65 mm konzipiert. Zu den Neuheiten gehört „Prima Roller“, ein mechanisches Schwerkraft-System auf Rollen, das sich besonders für Flaschen, Dosen und Becher eignet.
Instore Marketing, Minden, ist ebenfalls ein Komplettanbieter. Basis der Vorschublösungen ist das System „Optisell“, das laut dem Unternehmen durch Modulbauweise für alle Sortimente individuelle Anwendungen erlaubt. Neu ist das System „Optisell 2“, das mit optimierten Warenteilern und neuem Design aufwartet. Instore Marketing beliefert internationale Märkte und berichtet von einer „kontinuierlich wachsenden Auftragsentwicklung“. Als Universalanbieter von POS-Zubehör vertreibt auch VKF Renzel, Isselburg, ein umfangreiches Programm an Vorschubsystemen, das um verschiedene Neuheiten ergänzt wurde, darunter eine Teilerschiene speziell für Drahtgitterböden sowie Trays mit bedruckten Einlegern. Die Vorschubsysteme aus eigener Herstellung decken alle Warengruppen ab. „Wir beobachten in puncto Nachfrage einen Aufwärtstrend“, heißt es auch bei VKF Renzel.
Bis zur breiten Akzeptanz der Systeme bei Handel und Industrie war es ein dorniger Weg, berichtet Oliver Voßhenrich. Wie so oft im Spannungsfeld zwischen Handel und Industrie habe anfangs die Frage, wer die Kosten trägt, die Entwicklung blockiert. Dann aber habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass alle Seiten profitieren: der Handel direkt durch weniger Aufwand für Regalpflege, Hersteller und Handel gemeinsam durch nachweislich höhere Absätze dank der jetzt vom ersten bis zum letzten Produkt durchweg kundenfreundlichen Präsentation. Das ursprünglich für Deutsche See entwickelte und später auf andere TK-Produkte adaptierte Liftsystem für Tiefkühltruhen beispielsweise hat Absatzsprünge von bis zu 160 Prozent gebracht. Im Schnitt liegen die Absatzsteigerungen bei typischen Supermarkt-Sortimenten bei 10 Prozent.
Die Leistungen von POS Tuning umfassen die Entwicklung von Vorschublösungen für sämtliche Standardregale, Kühlmöbel und Tabakwarenpräsenter weltweit, die Erstellung von Prototypen und Mustern, die logistische Abwicklung von kompletten Roll-outs sowie die Überprüfung und Instandsetzung bestehender Vorschübe bis hin zur Ausbildung des Personals als „POS Tuner“. Bis heute werden alle Elemente, die weltweit ausgeliefert werden, in Bad Salzuflen gefertigt. Heute gibt es nur noch wenig Sortimente im Supermarkt, für die es noch keine Vorschubsysteme gibt. So bereiten einzelne PET-Flaschen mit ihren geriffelten Sternböden noch Kopfzerbrechen, was die Standfestigkeit und Beweglichkeit beim Vorschub betrifft.
Ein Fortschritt ist beispielsweise beim Vorschub von Gewürzdosen und -gläsern gelungen. Dieses Sortiment ist aufgrund der von Sorte zu Sorte unterschiedlichen Gewichte zwischen 10 und 80 g bei von der Größe und Form her identischen Gebinden relativ schwierig. Den Entwicklern bei POS Tuning ist es gelungen, eine neue Federgeneration mit optimierter Kraftentwicklung zu konstruieren, die alle Gewürzverpackungen zuverlässig bewegt. Der „ePusher“ ist ein Warenvorschub, der zusätzlich mit einer Sensor- und Funkeinheit ausgestattet ist. Über den Auszug der Feder ermittelt das Gerät, wie viel Ware es momentan bevorratet. Der aktuelle Warenbestand wird bei jeder Änderung über die Funkeinheit an eine zentrale Datensammelstelle geleitet.
Eine andere Weiterentwicklung ist eine Lichtschranke am Regal, die beim Griff des Kunden nach einem Produkt auf einem Monitor einen Infofilm über genau dieses Produkt aktiviert. Das hat nebenbei zur Folge, dass potenzielle Ladendiebe durch die plötzliche Geräuschentwicklung abgeschreckt werden. „Das Thema Sensorik am Regal eröffnet noch viele Perspektiven“, meint Oliver Voßhenrich.
Fotos: POS Tuning
Teil des Category-Managements
Oliver Voßhenrich, Geschäftsführer von POS Tuning, über die Chancen und Potenziale moderner Warenvorschubsysteme für Handel und Markenartikel- Industrie.
Wie lange halten Warenvorschubsysteme?
Unsere Systeme werden auf 20.000 Auszüge getestet, danach haben sie immer noch 98 Prozent ihrer ursprünglichen Kraft. Ein System hält demnach 10 bis 20 Jahre.
Womit machen Sie dann Neugeschäft?
Wir entwickeln nach und nach für alle Sortimente. Zurzeit sind Süßwaren ein großes Thema, etwa die optimale stehende Präsentation von Fruchtgummi-Tüten.
Sie sehen sich als Problemlöser, dessen Leistungen über die Entwicklung von Vorschubsystemen hinausgehen.
Wir analysieren permanent die Präsentationen am POS unter Category-Management- Gesichtspunkten. So haben wir gemeinsam mit GS1 Germany Category-Management-Projekte durchgeführt. Das Ergebnis sind umfassende Lösungsansätze mit verschiedenen Einzelmaßnahmen bis hin zu verbesserter Beleuchtung am Regal.