ESG-Kriterien: Der erste Griff gilt den „Low-Hanging Fruits“ | stores+shops

Anzeige
{{{name}}}

Vorgeschlagene Beiträge

Anzeige

Wer seine Immobilie nachhaltiger gestalten möchte, muss sich nicht gleich strecken. Laut Experten sind erste Maßnahmen mit verhältnismäßig geringem Aufwand umsetzbar
Foto: Unsplash/Daniel Fuentes

ESG-Kriterien: Der erste Griff gilt den „Low-Hanging Fruits“

Auf dem Pfad zur Dekarbonisierung helfen „Quick Wins“, einen Einstieg zu finden. Wer seine Handelsimmobilie in ein Green Building verwandeln möchte, sollte zeitnah aufbrechen. Drei Immobiliendienstleister berichten aus der Praxis.

„In der Branche herrscht Verunsicherung“, weiß HermannHorster von BNP Paribas Real Estate. Der Head of Sustainabilityberät Klienten in der Entwicklung nachhaltiger Gebäudestrategien. Über den Austausch mit der Schwester BNP Paribas REIM verfügt Horster zudem über Einblickeins unternehmenseigene Asset Management. „Die EU-Taxonomie, die Debatte ums ‚Heizungsgesetz‘: Grundsätzlich sind die Marktteilnehmer durch Medienberichte aufmerksam. Wirkliche Kenntnis gibt es vielerorts allerdings noch nicht.“ Was jedoch auch in der Natur der Sache liege: „Denn noch ist die Gesetzgebung in Bewegung.“

Mit Modifikationen aus Brüssel ist zu rechnen. Doch schon heute sehen sich Asset Manager mit Auswirkungen der EU-Verordnung konfrontiert. „Investoren fragen uns, welche nachhaltigen Maßnahmen wir planen und bereits umsetzen“, berichtet Dr. Astrid Keller, ESG- und Research- Managerin bei GRR Real Estate. Der Immobiliendienstleister ist auf den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) spezialisiert und betreut bundesweit rund 550 Objekte.

Bis zu einem Drittel der Energie- und CO2-Emissionen lässt sich über Low-Hanging-Fruits einsparen.

Hermann Horster

Head of Sustainability, BNP Paribas Real Estate

Andreas Dittmar leitet das Asset Management von GRR. Er verweist auf das Problem der Vergleichbarkeit, das sich in der „Nische Nahversorgung“ ergebe: „Sie können einen Rewe-Markt nicht mit einem Tesla-Store vergleichen. Allein aufgrund der aufgebrachten Kühlleistung ist der Energiebedarf größer. Auch der Kundendurchsatz ist ungleich höher. Dort steht der Eingangsbereich nun mal öfters offen.“ Andererseits habe man es in diesem Segment „mit starken Mietern zu tun, die darauf bedacht sind, Kosten so gering wie möglich zu halten“, weswegen man die Herausforderung letztlich optimistisch angehe.

Unaufgeregt zeigt man sich auch bei MEC. Mit Aufgaben im Property Management versteht sich der Dienstleister als „verlängerter Arm“ der Asset Manager.„Wir sind an 75 Handelsstandorten in Deutschland beauftragt, Gebäude so gut und zukunftsfähig wie möglich zu betreiben“, leitet Jörg Wege, Head of Strategic Development bei MEC, ein. „Insofern hatte das Thema Nachhaltigkeit schon immer einen sehr hohen Stellenwert für uns.“ Neu seien natürlich viele Fragen, die sich aus den Reportingpflichten ergeben.

Eine Sollbruchstelle in den Nachhaltigkeitsbemühungen der Branche identifizierten die Researcher von Ernst & Young. Laut einer Studie aus dem Vorjahr kennt nur knapp die Hälfte der Vermögensverwalterden CO2-Abdruck ihres Portfolios. „Ich bezweifle, dass überhaupt jemand sämtliche Datenvorliegen hat. Dafür müssten wir zu 100 Prozent wissen, welche Daten wir überhaupt sammeln wollen“, hakt Andreas Dittmar ein. Selbst wenn Klarheit bestünde, bliebe eine weitere Hürde: „Verbrauchsdaten liegen beim Mieter und sind uns rechtlich gar nicht zugänglich.“ Hierfür benötige es die Willenserklärung der Händler. Dank eines 16-köpfigen Teams, das einen engen Kontakt zu den Mietern pflege, sei man bei GRR jedoch so weit im Bilde, dass man geeignete Maßnahmen ableiten könne.

Dieser Aufwand mag ein Grund für die insgesamt noch immer dünne Datendecke bei den Asset Managern sein. Hermann Horster: „Es wird besser. Aber wenn die Frage nach Verbräuchen aufkommt, ist es im Zweifelsfall so, dass jemand mit einem Stift und Zettel in der Hand in den Keller geht und irgendetwas abliest.“ Jörg Wege verweist auf ein weiteres praktisches Problem: „Für technische Anlagen aus den 70er- oder 80er-Jahren finden Sie meist kaum noch ein Datenblatt.“

Auf dem ‚Way to Zero‘ wird der Investitionsdruck zunehmen.

Jörg Wege

Head of Strategic Development, Metro-ECE Centermanagement

Aller Anfang ist (nicht) schwer

Doch braucht es eine lückenlose Datenfülle, um tätig zu werden? Jörg Wege selbst weiß von Dienstleistern am Markt, die Benchmarks vergleichbarer Handelsimmobilien bereithalten: „Nutze ich diese hochgerechneten Verbrauchswerte für eine CRREM-Analyse (ein Tool, welches die CO2-Emissionen eines Gebäudes beziffert, Anm. d. Red.), erhalte ich eine erste Vorstellung davon, was es braucht, um meine Immobilie auf den Pfad der Dekarbonisierung zu führen.“ Hermann Horster von BNP Paribas Real Estate plädiert, die Komplexität des Themas auf erste einfache Maßnahmen herunterzubrechen. Was er seinen Klienten häufig als allererstes rät: „Für 3.500 bis 5.000 Euro können Sie eine Energie- und CO2-Analyse in Auftrag geben. Für relativ wenig Geld kommen Sie nicht nur dem Ist-Verbrauch näher, sondern erhalten außerdem Tipps, die Sie gleich umsetzen können.“

Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kostet – klar ist aber auch: Langfristig wird der Investitionsdruck für Handelsimmobilien im Bestand steigen, wenn diese eine Zukunft haben sollen

Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kostet – klar ist aber auch: Langfristig wird der Investitionsdruck für Handelsimmobilien im Bestand steigen, wenn diese eine Zukunft haben sollen
Foto: Unsplash/Nuno Marques

Dabei komme womöglich heraus, dass man die Heizanlage zu großzügig eingestellt hat. Oder aber, dass man in Erwägung ziehen sollte, die Rohre im Keller zu isolieren, um Verlustenergie zu mindern. Ziemlich naheliegend also.„Das ist ein wenig wie mit den Benzinspar-Tipps des ADAC: Das greifbarste Einsparpotenzial liegt im rechten Fuß des Fahrers“, räumt Horster ein. Umso überraschter seien seine Klienten, wenn diese dann feststellten, wie viel sich bereits über „Low-Hanging Fruits“ einsparen lasse. „Bis zu einem Drittel der Energie- und CO2-Emissionen nämlich“, verrät Horster.

Einen weiteren „Quick Win“ sieht Jörg Wege in KI-gestützter Mess- und Regeltechnik: „Gemeinsam mit Partnern schaffen wir es, mithilfe von Machine Learning die Heizanlage in Bezug auf Energieeffizienz und Komfort optimal abzustimmen– und zwar im 15 Minuten-Takt. Von Hand ist das nicht zu schaffen.“ Das System reagiere automatisch auf Veränderungen in der Umgebungstemperatur, je nach Modell werden sogar Wettervorhersagen berücksichtigt. Die Kosten für eine KI-Integration möchte Wege nicht pauschal beziffern, seien jedoch geringer als man denke. „Bei einer Energieeinsparung von 20 bis 25 Prozent lohnt es sich definitiv, über eine Umrüstung nachzudenken.“

Die Entscheidungen über Investitionen jedoch werden an anderer Stelle getroffen. „Wir verstehen unsere Rolle so, dass wir Gedankenanstöße liefern“, erklärt Andreas Dittmar bei GRR. „Dort, wo es möglich war, haben wir auf Grünstrom umgestellt. Daran haben viele Mieter ohnehin ein Eigeninteresse“,ergänzt ESG-Managerin Dr. Astrid Keller. Weitere kostengünstige Maßnahmen seien Grünstreifen oder Mooswände, die CO2 aus der Luft binden und für angenehmeres Klima im Umfeld sorgen. „Zudem haben wir an ausgewählten Standorten Blühwiesen angepflanzt, um die Biodiversität zu fördern“, so Keller.

Nicht im Sprint zur Klimaneutralität

Davon abgesehen setzt GRR im energieintensiven LEH-Segment auf langfristige Modernisierungsprozesse. „In einem Pilotprojekt tauschen wir mit einigen Mietern an verschiedenen Standorten Gaskessel gegen Wärmepumpen“, berichtet Andreas Dittmar. Zudem gehe man von einem flächendeckenden Einsatz von Photovoltaik aus. Darüber hinaus möchte der Asset Manager keine Allgemeingültigkeit erheben: „Was wir anregen, muss zur originären Einzelhandelsnutzung passen – und auch wirtschaftlich sinnvoll sein.“ Investitionsbereitschaft auf Seiten der Eigentümer bestehe zwar, „nichtsdestotrotz haben die Veränderungen der Kapitalmarktsituation Spuren hinterlassen“, so Dittmar.

Die Veränderungen der Kapitalmarktsituation haben Spuren hinterlassen.

Andreas Dittmar

Leitung Abteilung Asset Management, GRR

„Niemand verlangt, dass jemand seine Immobilie von heute auf morgen komplett umkrempelt“, beruhigt Hermann Horster. Wichtig sei es jedoch, schon heute einen „Fahrplan“ für die Zukunft zu entwickeln. MEC arbeitet mit objektbezogenen ESG-Roadmaps, anhand derer sich die Modernisierungsmaßnahmen innerhalb eines konkret definierten Zeitplans abbilden lassen. „So arbeiten wir von Zyklus zu Zyklus, und selbst im Falle eines vorzeitigen Verkaufs können die Akteure der Roadmap entnehmen, welche energetischen Erfolge bislang erreicht wurden und welche Ziele erreicht werden sollen“, erklärt Jörg Wege. Die Experten raten zudem, energiepolitische Etappen im Blick zu behalten. Hermann Horster verweist etwa auf die kommunale Wärmeplanung bis 2026: „Wenn ich weiß, dass die Stadtwerke demnächst mit der Fernwärme in meine Straße kommen, muss ich nicht die komplette Wärmeversorgung umstellen.“ In der Praxis lasse sich der Stand etwaiger Planungen bereits abfragen.

„Spare ich mit grobmechanischen und softwaregesteuerten Maßnahmen rund ein Drittel bis die Hälfte der Emissionen ein, kann ich die nächsten Jahre entspannter angehen und überlegen, was ich in 10 bis 15 Jahren tun muss“, fasst Hermann Horster abschließend zusammen. Klar sei aber auch: „Wenn mein Gebäude bis 2050 klimaneutral sein soll, dann heißt das eben, dass ich bis dahin weder eine Gasheizung haben noch konventionellen Strom beziehen kann.“ Deutlich wird auch Jörg Wege: „Auf dem ‚Way to Zero‘ wird der Investitionsdruck zunehmen. Und für manche Handelsimmobilie wird womöglich der Zeitpunkt kommen, an dem sämtliche Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um die energetische Performance mit den Klimazielen in Einklang zubringen.“

Das S und G in ESG

Bei der Erfüllung von ESG-Kriterien konzentrieren sich die Bemühungen der Branche auf das E (für Environmental, zu Deutsch: Umwelt). Energieverbrauch und CO2-Ausstoß einer Immobilie sind schließlich messbarer als die „weichen“ Faktoren der Bereiche Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Maßnahmen, die aufs „S“ einzahlen, führt Dr.Astrid Keller von GRR auf: „Sitzmöglichkeiten, Fahrradstellplätze, Wallboxen und Ladesäulen, freundliche Mitarbeiterräume – das sind Schritte, die sich vielleicht nicht unmittelbar in den Ratings widerspiegeln, aber doch dazu führen, dass sich Menschen wohler fühlen.“ In Sachen Governance rät Hermann Horster: „Eine offizielle Zertifizierung als Green Building (etwa durch das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, Anm.d. Red.) ist ein zusätzliches Signal nach außen, dass ich mich ernsthaft mit dem Thema ESG auseinandersetze.“

Medium Rectangle Technology 1

Anzeige

Produkt-News