Von ihrem Ziel, bis zum Jahr 2030 insgesamt 15 Mio. Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen, ist die Bundesregierung weit entfernt. Derzeit sind etwa 1,5 Mio. E-Autos in Deutschland zugelassen. Elektroautos werden zwar immer beliebter, dennoch lag Anfang des Jahres 2024 der Anteil der reinen Batterie-Fahrzeuge an der Gesamtzahl der zugelassenen Autos nur bei knapp drei Prozent. Zugleich darf man nicht übersehen, welch rasante Entwicklung der E-Auto-Markt in Deutschland erfährt: Vor fünf Jahren waren nur 0,22 Prozent aller Personenkraftwagen mit Elektroantrieb unterwegs. Auch die Betreiber von Handelsimmobilien haben erkannt, dass der Faktor E-Mobilität einen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Menschen haben kann. Während früher lediglich die Verfügbarkeit von ausreichend Parkplätzen bei der Entscheidung für oder gegen den Besuch eines Einkaufsortes eine Rolle spielte, geht es nun auch um die technologische Ausstattung der Parkflächen.
Konsument:innen möchten wissen, ob sie ihr Fahrzeug während des Einkaufens aufladen können. Laut dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat „der Aufbau einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur für den Erfolg der Elektromobilität eine zentrale Bedeutung“. Und auch, wenn Autofahrer-Verbände wie der ADAC oder der VDA kritisch anmerken, dass die Infrastruktur für das Laden von E-Autos nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa vielerorts noch zu wünschen übriglasse, nimmt die Zahl möglicher Ladepunkte seit Jahren kontinuierlich zu. Das Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur listet zum Stichtag 1. Januar 2024 insgesamt 98.216 Normalladepunkte und 25.233 Schnellladepunkte. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 waren es noch 5.895 Normalladepunkte und 790 Schnellladepunkte.
Mehr Ladesäulen dank Handel
Der Handel trägt zu dieser Entwicklung bei. Ein Beispiel: der Weserpark in Bremen. Hier wurde im vergangenen Jahr das Ladeangebot deutlich erweitert. Für die Umsetzung des Projektes und den Betrieb der Ladeinfrastruktur war der Oldenburger Mobilitätsdienstleister EWE Go ins Boot geholt worden. Es sei wichtig, „Ladesäulen dort zu errichten, wo man das Laden mit Besorgungen des täglichen Bedarfs verbinden kann“, sagte Martin Fäßer, Key Account und Projektverantwortlicher bei EWE Go, schließlich solle das Laden des Autos nicht als zusätzlicher Zeitaufwand wahrgenommen werden. Ein weiteres Beispiel ist Obi. Die Baumarkt-Kette ist im Frühjahr 2023 eine Partnerschaft mit der Pfalzwerke- Gruppe, einem der Top-8-Betreiber von Ladeparks in Deutschland, eingegangen, um den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur voranzutreiben. Kurz darauf ist der erste gemeinsame Ladepark in Betrieb gegangen, viele weitere sollen folgen: Kurz- und mittelfristig könnten bis zu 96 Obi- Standorte in Deutschland von den Pfalzwerken mit Schnellladeinfrastruktur ausgestattet werden.
75 Prozent der Einzelhändler haben bereits Ladestationen für ihre Kundschaft installiert, vor allem der Anteil der Schnelllader ist dabei überdurchschnittlich hoch. Dies ist eine Erkenntnis einer Online-Umfrage, die im Februar 2024 bei Verantwortlichen der Handelsfilialisten, mit mittelständischen Handelsunternehmen und Centerbetreibern im deutschsprachigen Raum durchgeführt wurde. Beteiligt hatten sich 63 Handelsketten mit 27.574 Filialen, davon 28 Handelsketten aus dem Lebensmittelhandel mit 19.798 Filialen, sowie 13 Shopping- beziehungsweise Fachmarktcenter mit 149 Standorten.
Die ausführlichen Ergebnisse der Befragung sind im EHI-Whitepaper „Elektromobilität im Handel 2024“ veröffentlicht worden. Die Hauptmotivation für den Handel, Ladeinfrastruktur auf- oder auszubauen, ist demnach die Kundenbindung an den Händler (81 Prozent), gefolgt von den Klimazielen (58 Prozent) und der Gesetzgebung (55 Prozent). Allerdings, so die Befragten, könnten die Abläufe noch schneller gehen. Meist dauere es sechs bis zehn Monate (47 Prozent) bis eine Ladesäule betriebsbereit ist. Als Gründe hierfür nennen die Befragten unter anderem Schwierigkeiten mit den Netzbetreibern oder Lieferschwierigkeiten, aber auch Abstimmungsprobleme mit Vermietern oder durch Eigentümer verlangsamte Prozesse.
Umsatzsteigerung durch Ladeangebot
Dass Ladeangebote im Handel tatsächlich für eine effektive Umsatzsteigerung nutzbar gemacht werden können, davon ist man beim E-Mobility-Unternehmen Elvah überzeugt. Im Jahr 2020 als Start-up angetreten, wollten die Gründer den E-Auto-Fahrer:innen mit einer App dabei helfen, auf ihren Touren verfügbare, zuverlässige und kostengünstige Lademöglichkeiten zu finden. Es dauerte nicht lang, da geriet ein wichtiger Investor des Start-ups in finanzielle Schwierigkeiten, und Elvah rutschte in die Insolvenz.
Der Essener Energiekonzern Eon sprang ein und integrierte das junge Unternehmen mitsamt seinen 50 Mitarbeiter: innen im Jahr 2023 in sein Angebotsportfolio im Bereich Elektromobilität. Im selben Jahr zeigte eine Eon-Umfrage unter E-Auto- Besitzern, dass sich 58 Prozent der Befragungsteilnehmer: innen die Möglichkeit wünschen, während des Einkaufens die Batterie ihres Fahrzeugs aufzuladen. „Viele Einzelhandelsketten bieten Ladepunkte direkt am Point-of- Sale an und machen ihr Ladengeschäft somit attraktiver für die kaufkräftige Klientel der Elektromobilisten. Doch nur mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur in der Nähe des Ladengeschäfts ist es nicht getan“, heißt es dazu bei Elvah.
Denn: Wenn Kund:innen mit der Ladekarte oder der App eines Drittanbieters ihr Fahrzeug aufladen, seien sie für den Retailer nicht greifbar. Der Schlüssel zum Erfolg sei daher die Integration des bereitgestellten Ladeangebots in die unternehmenseigene App. So könne beispielsweise eine ohnehin bereits vorhandene digitale Landkarte, in der die Standorte der Filialen markiert sind, mit geringem Aufwand im firmeneigenen Corporate Design um Informationen zum E-Lade-Angebot ergänzt werden.
„So werden Filialen mit vorhandener Ladeinfrastruktur attraktiver für E-Auto-Besitzer: innen und in der Folge bevorzugt für den Einkauf gewählt.“ In einem weiteren Schritt könnten Loyalty-Programme oder Aktionen für registrierte Nutzer:innen in die App einfließen. Denkbar wären etwa Incentives wie Rabatte auf die Batterieladung oder Frei-Kilowattstunden ab einer bestimmten Einkaufssumme. Würden solche Aktionen dann noch zu Uhrzeiten angeboten, an denen üblicherweise weniger Kund:innen in den Geschäften einkaufen, ließen sich über die E-Lade-Angebote auch die Kundenströme beeinflussen. „Die Möglichkeiten für das Marketing“, heißt es dazu bei Elvah, „sind nahezu grenzenlos.“