Expertenmeinung zu den Galeria-Sanierungsplänen | stores+shops
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Die Karstadt-Filiale im Shopping‑ Center Forum in Duisburg gehört zu den rund 80 Galeria-Filialen, die auch die jüngste Insolvenz überstanden haben
Foto: Denis de Haas

Expertenmeinung zu den Galeria-Sanierungsplänen

Prof. Dr. Carsten Kortum, Wirtschaftsprofessor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, betrachtet die Sanierungspläne bei Galeria Karstadt Kaufhof mit Skepsis. Das Modell Warenhaus sieht er jedoch nicht gescheitert.

Die Zahl klingt rekordverdächtig und besorgniserregend zugleich: Seit dem Frühjahr 2020 musste Galeria Karstadt Kaufhof gleich dreimal Insolvenz anmelden. Die Coronapandemie sowie die Pleite des Mutterkonzerns Signa brachten die Warenhauskette in eine finanzielle Schieflage. Das Geschäftsmodell geriet aber schon lange vorher ins Wanken (siehe Zeitstrahl). Nun schicken sich zwei Männer mit Konzern- Vergangenheit an, Galeria zu sanieren. Da ist auf der einen Seite der Immobilientycoon Richard Baker. Der USAmerikaner steht an der Spitze eines Konsortiums aus der Investmentgesellschaft NRDC. Über das Handelsunternehmen Hudson‘s Bay Company war Baker von 2015 bis 2019 Mehrheitseigentümer der deutschen Warenhauskette.

An seiner Seite ist Bernd Beetz. Der deutsche Unternehmer hat in seiner beruflichen Karriere für verschiedene Handels- und Luxusmarken wie LVMH und Christian Dior gearbeitet. Auch der Präsident des Fußballvereins Waldhof Mannheim war bei Galeria an Bord. In den Jahren 2018 und 2019 bekleidete er beim gerade fusionierten Konzern den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Prof. Dr. Carsten Kortum hat die Entwicklungen bei Galeria im Blick. Der Wirtschaftsprofessor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Heilbronn sieht die Sanierungspläne der neuen Investoren skeptisch. „Die neuen Eigentümer versuchen, ein in die Jahre gekommenes Geschäftsmodell mit minimalem Finanzmitteleinsatz und geringen Änderungen weiterzuführen“, sagt der Handelsexperte. „Das kann in meinen Augen nicht gut gehen.“

Prof. Dr. Carsten Kortum, Wirtschaftsprofessor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Heilbronn

Prof. Dr. Carsten Kortum, Wirtschaftsprofessor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Heilbronn
Foto: DHBW

Immenser Sanierungsbedarf

100 Mio. Euro wollen die neuen Eigentümer in die Modernisierung der Filialen investieren. „Das ist für mich nicht ausreichend“, sagt Kortum. Er kalkuliert im Schnitt mit 20 Mio. Euro pro Filiale und kommt in seiner Gesamtrechnung somit auf mehr als eine Milliarde Euro. „Der Sanierungsbedarf ist immens, weil in manchen Warenhäusern mehr als zwanzig Jahre nichts mehr passiert ist“, betont er. Zudem weist der Experte darauf hin, dass die Assetklasse und die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren enorm gelitten haben. „So ein Konzern braucht neue Fachkräfte, die Multichannel-Konzepte umsetzen können“, sagt Kortum. Er ist der Ansicht, der Konzern habe mit drei Insolvenzen an Attraktivität verloren und sei damit nicht anziehend für Spezialisten. Bei dem bestehenden Personal sind in seinen Augen Weiterbildungen auf dem Gebiet der Digitalisierung notwendig.

Kortum: „Qualifizierte Mitarbeiter sind im Handel der wichtigste Faktor.“ Das Kaufhaus als Betriebstyp ist in seinen Augen kein Auslaufmodell, sondern hat für ihn Zukunft. „Die Probleme bei Galeria sind firmenindividuell und gelten nicht für alle Händler“, sagt Kortum. Für ihn ist Breuninger ein gelungenes Beispiel für ein funktionierendes Warenhaus-Konzept.

„Die Betreiber haben verstanden, dass in den Läden mehr Auswahl, Service und Erlebnis geboten werden muss.“ Und auch in kleineren Städten funktioniere der Typ Kaufhaus noch. Kortum nennt ein Bespiel aus Moers, einer niederrheinischen Stadt mit 100.000 Einwohner. Dort gibt es mitten im Zentrum das Mode- und Sportcenter Braun. Als Kortum das exklusive Sortiment und die gut gefüllte Verkaufsfläche sah, ist er überzeugt: „Das Kaufhaus in zentraler Lage hat mit solchen Konzepten Zukunft.“

Von den Middelhoff-Plänen bis zur Signa-Pleite – der Fall eines Warenhaus-Riesen

2005 Der ehemalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff übernimmt bei Karstadt. Bei der 1881 von Rudolph Karstadt in Wismar gegründeten Kette erkennt er eine „Notlage“. Middelhoff möchte Filialen in ganz Europa gründen. Die Pläne des Managers scheitern.

2006 Middelhoff verkauft die Warenhausimmobilien für 3,7 Mrd. Euro mehrheitlich an den Fonds „Highstreet“ von Goldman Sachs. Zudem veräußert er Immobilien-Anteile der Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor für 800 Mio. Euro. Dieser Deal wird in der Folge zu einer Belastung: Als Mieter der Warenhäuser zahlt Karstadt immer höhere Mieten.

2009 Arcandor meldet Insolvenz an. Große Teile der Karstadt-Mutter sind zuvor verkauft oder an Kreditgeber verpfändet worden.

2010 Der US-deutsche Privatinvestor Nicolas Berggruen kauft die insolvente Warenhauskette. Er setzt Andrew Jennings als Karstadt-Chef ein. Dieser möchte mit dem Konzept „Feel London“ hippe Modemarken in die Warenhäuser bringen. Die Strategie geht nicht auf. Jennings verlässt das Unternehmen, Karstadt kämpft weiter mit Verlusten.

2014 Der Österreicher René Benko übernimmt mit seiner Signa Holding das Unternehmen Karstadt von Investor Berggruen. Bei seinem Antritt kündigt der Immobilien-Investor umfangreiche Sanierungspläne an.

2015 Das 1879 vom Kaufmann Leonhard Tietz in Stralsund gegründete Unternehmen Kaufhof wird von dem bisherigen Eigentümer Metro an Hudson‘s Bay (HBC) verkauft. Der kanadische Handelskonzern möchte das stationäre und das Online-Geschäft miteinander verzahnen. Doch das Omnichannel-Konzept bringt keinen Erfolg.

2018 Die Wettbewerber sind nun vereint. Signa und HBC legen Karstadt und Kaufhof zu einem Konzern zusammen. Zum Zeitpunkt der Fusion beschäftigt das Unternehmen noch 32.000 Mitarbeiter:innen an 243 Standorten.

2020 Die Coronakrise bedroht den Fortbestand des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof. Während des Lockdowns müssen die Filialen schließen. Die Geschäftsführung stellt beim Amtsgericht Essen einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens. 46 der 172 Filialen sollen laut Insolvenzplan schließen. Das Unternehmen erhält einen Staatskredit in Höhe von zunächst 460 Mio. Euro, später kommen noch mal 220 Mio. Euro dazu. Doch die Konsumstimmung bleibt schlecht.

2022 Zum zweiten Mal in zwei Jahren muss der Konzern ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren beantragen. Laut Insolvenzverwalter sollen nur die profitablen Filialen bestehen bleiben.

2023 Gläubiger beschließen einen Sanierungsplan: Es sollen weitere 47 Warenhäuser schließen, tausende Mitarbeiter:innen verlieren ihren Arbeitsplatz. Eigentümer Signa gerät mit seinen milliardenschweren Immobilienpaketen wegen steigender Zinsen und der hohen Inflation unter Druck.

2024 Nach der Signa-Pleite stellt Galeria Karstadt Kaufhof erneut einen Insolvenzantrag. Weil Signa die versprochenen 200 Mio. Euro nicht aufbringen kann, ist der Warenhauskonzern überschuldet. Schließlich übernehmen die Investoren Richard Baker und Bernd Beetz die Kette.

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