Die Senkung der Emissionen in der Logistik ist für Einzelhändler ein wichtiger Hebel, um den unternehmensweiten CO2-Fußabdruck im Rahmen regulatorischer Regeln und freiwilliger Zielsetzungen zu reduzieren. Sowohl der stationäre Handel und seine Logistikpartner als auch die Online- und Versandhändler mit ihren Zustelldiensten arbeiten an der Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotten beziehungsweise der Umstellung auf andere emissionsfreie Antriebe. Nutzfahrzeughersteller bestätigen auf Anfrage der Redaktion, dass der Einzelhandel – insbesondere im Güternahverkehr – beim Einsatz von E-Antrieben eine Führungsrolle spielt. „Der Verteilerverkehr spielt eine sehr wichtige Rolle in der Elektrifizierung des Transports, da sich die Anwendungsfälle oftmals gut für E-Lkw eignen“, sagt ein Unternehmenssprecher von Daimler Trucks. Das bestätigt auch Volvo Trucks und verweist darauf, dass die meisten E-Lkw im regionalen und kommunalen Verkehr – der Domäne des Handels – fahren. In Europa ist Volvo mit 50 Prozent Marktanteil führend in der Elektrifizierung des schweren Gütertransports und hat damit einen guten Überblick über die Nutzerprofile.
Fortschritt in der Elektrifizierung
Wie die Elektrifizierung im Verteilerverkehr voranschreitet, zeigen Beispiele aus dem Handel. Bei der Rewe Group sind im Rahmen eines unternehmensweiten Projekts zu alternativen Antrieben im Lieferverkehr derzeit 18 schwere batterieelektrische Lkw für die Marktbelieferung im Einsatz. Außerdem wird mit zwei Fahrzeugen der Einsatz wasserstoffelektrischer Lkw getestet. Aktuell ist Rewe noch in der Phase der technischen Bewertung emissionsfreier Antriebe und der Standortpotenzialanalyse für die relevanten Antriebsarten. Die Ergebnisse werden die Basis für die künftigen Entscheidungen bei den Flottenbeschaffungen bilden. „Die relevantesten Entscheidungskriterien dabei sind die Erreichbarkeit unserer Reduktionsziele (formuliert nach SBTI) sowie die Wirtschaftlichkeit“, teilt das Unternehmen mit.
Kaufland ist Ende 2023 mit einem groß angelegten Projekt am Logistikstandort in Möckmühl gestartet und hat dort seinen ersten Ladepark mit acht Ladestationen eröffnet, jede mit einer separaten Spur für eine E-Sattelzugmaschine inklusive elektrisch betriebenem Kühlauflieger. Das Unternehmen setzt in Zusammenarbeit mit Einride, einem Anbieter von Lösungen für den digitalen und elektrischen Gütertransport, acht schwere E-Lkw bei der Belieferung von aktuell zehn Filialen im Landkreis Ludwigsburg ein. Wie und in welchem Ausmaß der Elektro-Schwerlastverkehr bei Kaufland ausgeweitet werden kann, wird von den Erkenntnissen der Pilotphase abhängen. „Kaufland ist jedoch zuversichtlich, dass diese positiv verlaufen wird“, so ein Unternehmenssprecher. Neben Möckmühl betreibt das Unternehmen bundesweit sechs weitere Logistikstandorte, an denen aktuell mögliche Konzepte für E-Ladeparks geprüft werden. Die Pilotphase soll zeigen, inwieweit der Elektro-Schwerlastverkehr bei Kaufland weiter skaliert werden kann.
Große Erfahrungen hat Hermes Germany bereits mit der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe gesammelt. Was die „Letzte Meile“ angeht, sind derzeit bundesweit über 1.200 elektrische Zustellfahrzeuge für Hermes unterwegs. Darüber hinaus sind auch auf der „Langen Strecke“ drei E-Lkw im regulären Linienverkehr im Einsatz; in Kürze soll ein weiterer dazustoßen. Außerdem wurde Anfang des Jahres ein 15-monatiger Testbetrieb mit einem Wasserstoff-Lkw gestartet. Hermes richtet seine Maßnahmen zur CO2-Reduzierung an den EU-Emissionsreduktionszielen aus und hat sich als Teil der Otto Group auch der Science-Based-Targets-Initiative verpflichtet. Als Paketlogistiker sei man gefordert, sowohl auf der Letzten Meile als auch auf der Langen Strecke emissionsfreie Lösungen voranzutreiben. „Aktuell sind die vorhandenen Lösungen für die Letzte Meile deutlich ausgereifter als die für die Lange Strecke, auf der E-Lkw, H2-Lkw oder alternative Kraftstoffe wie HVO100 verprobt werden und noch nicht für den breiten Einsatz gemacht sind“, sagt Pressesprecherin Ina Jencke. Insgesamt bestehe auf der Langen Strecke noch viel Unsicherheit bezüglich der technologischen Entwicklung und der Kostensituation. „Dies erschwert den Hochlauf verfügbarer Lösungen.“
Förderung entfällt
Auch die Anfang 2024 von der Bundesregierung eingestellte Förderung für „Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur“ (KsNI) bremst jetzt den weiteren Hochlauf. Sie hatte die Fahrzeughalter zuvor sowohl bei den höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu Dieselfahrzeugen als auch bei Investitionen in die notwendige Ladeinfrastruktur unterstützt – und wurde rege genutzt. „Der Entfall von Förderungen, insbesondere der BALM-Förderung KsNI, stellt speziell bei Infrastrukturentscheidungen einen relevanten Aspekt dar“, kommentiert Rewe den Förderstopp. „Mit dem Wegfall der KsNI-Förderung entzieht man unseren Kunden heute, wo Diesel-Lkw noch deutlich günstiger in der Anschaffung sind, einen hilfreichen Anreiz, schnellstmöglich in Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben zu investieren und eine zugehörige Ladeinfrastruktur aufzubauen“, heißt es bei Daimler Trucks. Die Weiterentwicklung im Verteilerverkehr sehe man aber optimistisch, denn speziell der Einzelhandel habe den Vorteil, dass er die benötigte Ladeinfrastruktur zumeist auf seinen Betriebshöfen beziehungsweise Abladestellen aufbauen könne und in den meisten Fällen keine öffentliche Ladeinfrastruktur benötige.
Volvo Trucks betont, die Transformation der Kunden hin zur Elektromobilität nach Kräften weiter zu unterstützen, auch mit einer Optimierung der Fahrzeugkosten, schränkt ebenfalls ein: „Ohne öffentliche Förderung der jeweiligen regionalen und überregionalen Regierung tun wir uns da zugegebenermaßen oft schwer.“ Der Wegfall der KsNI-Förderung habe zu einer großen Verunsicherung geführt. Die Kunden benötigten aber Planungssicherheit und gewisse Faktoren, damit sie auf Sicht ihre Strategien umsetzen können.
Den verschlechterten Rahmenbedingungen zum Trotz blicken Hersteller und Nutzer nach vorn. „Wir setzen unsere Planungen weiterhin konsequent um, unabhängig von einzelnen Fördermaßnahmen“, sagt Ina Jencke von Hermes. Positiv für die Logistik sei etwa die Tatsache, dass emissionsfreie Lastkraftwagen – ab Juli 2024 auch solche ab 7,5 Tonnen – bis Ende 2026 von der Maut befreit sind. Aus Sicht von Kaufland wird die elektrische Filialbelieferung in den kommenden Jahren „sicherlich eine zentrale Rolle“ spielen. Man sei optimistisch, „dass sich die Umstellung auf alternative Antriebe auch ohne Förderung über den Markt regelt“.
Reichweite und Infrastruktur verbessern
Volvo geht in seinen Planungen davon aus, dass sich vor allem der elektrische Nahverkehr weiterentwickeln wird, weil zumindest in den nächsten Jahren das Depotladen auf den Betriebshöfen noch dominieren wird. Dort geht der Netzausbau – trotz vieler Hürden – schneller vonstatten als beim fernverkehrstauglichen Netz. „Viele unserer heutigen Kunden, auch aus dem Einzelhandel, produzieren ihren eigenen Strom, sodass die Kostenrechnung interessant werden kann.“ Volvo hat inzwischen sieben elektrische Lkw-Modelle von 16 bis 44 Tonnen im Programm, deren Tagesreichweiten 200 bis 300 Kilometer umfassen. Das beinhaltet einen Ladestopp in der Mittagspause, die nach viereinhalb Stunden ohnehin eingelegt werden muss. „Für den Vormittag reichen dem Fahrer also 200 Kilometer, danach lädt er im Depot wieder voll“, beschreibt Volvo das typische Szenario im Verteilerverkehr.
Daimler Trucks sieht inzwischen auch für die Lange Strecke gute Voraussetzungen. Immerhin könne mit der Anpassung der deutschen Lkw-Maut schon heute beim batterieelektrischen Fernverkehr bei ausreichender Fahrleistung und Depotladen „eine Gesamtwirtschaftlichkeit über den Lebenszyklus auch ohne Förderung gegeben sein“, sagt ein Unternehmenssprecher. 2023 hat Daimler Trucks mit dem eActros 600 seinen ersten batterieelektrischen E-Lkw für den Fernverkehr vorgestellt, der Ende 2024 in die Serienproduktion gehen soll. Seit Verkaufsstart Ende letzten Jahres gingen laut Unternehmen über 1.000 feste Bestellungen ein, auch die Absichtserklärungen liegen im vierstelligen Bereich. „Dies ist umso beeindruckender angesichts der Tatsache, dass die Kunden-Demofahrzeuge erst im zweiten Halbjahr an den Start gehen werden“, so der Sprecher.
Bei allen Fortschritten und einem wachsenden Angebot an Fahrzeugen verfällt wohl noch kein Fuhrparkleiter in Euphorie. „Aus unserer Sicht liegen die größten Herausforderungen für den Hochlauf der Elektromobilität nach wie vor in der Infrastruktur und der Fahrzeugreichweite“, teilt Rewe mit. Außerdem seien die Anschaffungskosten und Fahrzeugauswahl „nicht zu vernachlässigende Hürden“. „Die Dekarbonisierung des Transportbereichs ist eine Mammutaufgabe für die Logistik“, stellt Hermes-Sprecherin Ina Jencke klar. Insbesondere die Lange Strecke sei von zahlreichen Herausforderungen geprägt, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Die Anschaffungskosten sind auch für Hermes ein entscheidender Faktor, sowohl für Fahrzeuge als auch für die benötigte Ladeinfrastruktur. Die Notwendigkeit, die Kosten weiter zu senken, betreffe nicht nur Elektrofahrzeuge, sondern auch alternative Kraftstoffe wie HVO100 oder Wasserstoff. Jencke: „Zusätzlich müssen die politischen Rahmenbedingungen so gesteckt sein, dass ein Hochfahren der Technologie machbar ist. Die Regulatorik muss in Zukunft bestmöglich unterstützen, um die Emissionsreduktionsziele erreichen zu können.“