Nicht nur der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert angesichts dieser deutlich steigenden Zahlen und der hohen Dunkelziffer dringend die konsequentere strafrechtliche Verfolgung von Ladendiebstählen. Seit 2014 sind die angezeigten Ladendiebstähle fast kontinuierlich zurückgegangen und haben sich in diesem Zeitraum mehr als halbiert. Zudem gingen die Anzeigen in den Jahren der Coronapandemie übermäßig stark zurück und normalisierten sich erst mit dem starken Anstieg im Jahr 2022 wieder auf das Niveau von 2019 und den Vorjahren. Der zwischenzeitliche Rückgang der Anzeigen wegen Ladendiebstahls ist vor allem auf die geringeren Ausgaben für Detekteien zurückzuführen, die die meisten Fälle zur Anzeige bringen. Mit der Normalisierung der Lage wurden 2022 auch wieder mehr Detektiv:innen eingesetzt und dementsprechend mehr Taten aufgedeckt.
Sinkende Hemmschwelle
Mittlerweile ist ein Niveau erreicht, bei dem anzunehmen ist, dass die Ladendiebstahlkriminalität tatsächlich zugenommen hat. Die Zunahme der Ladendiebstähle kann ein Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklung sein. Finanzielle Sorgen und Nöte senken die Hemmschwelle zum Ladendiebstahl. Inflation und steigende Preise scheinen Ladendiebstahl attraktiver zu machen.
Aufgrund der hohen Dunkelziffer ist es fraglich, ob die Statistik die tatsächliche Ladendiebstahlkriminalitätsentwicklung widerspiegelt. Denn zahlreiche Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, wie z. B. deutlich verlängerte Öffnungszeiten, nicht angepasste Einsatzplanung der Ladendetektiv:innen sowie vor allem eine geringere Personalpräsenz auf den Verkaufsflächen, begünstigen den unentdeckten Ladendiebstahl. Durch erhöhte Investitionen in die Ladendiebstahlprävention kann der Handel Gelegenheitsdiebstähle verhindern, jedoch nicht in dem Maße, wie es die Kriminalstatistik über die Jahre suggeriert. In der Praxis sind immer wieder Verlagerungseffekte des Diebstahlgeschehens von gut gesicherten und überwachten zu weniger gut gesicherten Geschäften festzustellen.
Die Statistik unterscheidet zwischen einfachem und schwerem Ladendiebstahl. Schwerer Diebstahl liegt z. B. vor, wenn das Diebesgut durch ein verschlossenes Behältnis wie eine Vitrine oder eine andere Schutzvorrichtung, etwa eine Warensicherung, besonders gegen Abtransport gesichert und nicht von geringem Wert ist. In der Regel handelt es sich hierbei um Taten mit höherer krimineller Energie. Rund 90 Prozent aller angezeigten Ladendiebstähle gelten als aufgeklärt, da die Tatverdächtigen „mitgeliefert“ werden und der Sachverhalt eindeutig ist.
Zahlen und Fakten
Laut Polizeistatistik 2023 sind 60,2 Prozent männliche Tatverdächtige und 39,8 Prozent weibliche Tatverdächtige. Der Ausländeranteil ist mit 46,6 Prozent (Vorjahr 43,4 Prozent) fast viermal so hoch wie der entsprechende Bevölkerungsanteil von rund 12 Prozent. Beim einfachen Ladendiebstahl handelt es sich in fast zwei Dritteln aller angezeigten Fälle um Diebstähle bis zu einem Warenwert von 50 Euro. Der durchschnittliche Diebstahlswert liegt bei rund 96 Euro. 7,2 Prozent der Kriminellen standen zur Tatzeit unter dem Einfluss harter Drogen, weitere 5,2 Prozent unter Alkoholeinfluss. 86,5 Prozent der Tatverdächtigen wurden als Einzeltäter:innen angezeigt, während 13,5 Prozent in Gruppen auftraten. Der Anteil der Mehrfachtäter, also der Tatverdächtigen, die bereits früher schon einmal gefasst wurden, lag bei 60 Prozent.
Für den schweren Ladendiebstahl, der im Jahr 2023 den absoluten Höchststand an Anzeigen erreichte, ergeben sich folgende Kennzahlen: Die männlichen Täter überwiegen mit einem Anteil von 78,3 Prozent (Vorjahr 79,5 Prozent). Der Anteil der Mehrfachtäter:innen liegt bei 82,8 Prozent (Vorjahr 81,4 Prozent). 16,4 Prozent der Täter:innen standen bei der Tatbegehung unter dem Einfluss harter Drogen, weitere 6,5 Prozent unter Alkoholeinfluss. Mit 70,4 Prozent gegenüber den beiden Vorjahren (68,0 Prozent / 62,1 Prozent) ist der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger weiter angestiegen. Der durchschnittliche Diebstahlswert lag bei knapp 430 Euro.
Eine große Bedrohung im Handel stellt nach wie vor der gewerbsmäßig organisierte Ladendiebstahl dar, der häufig als Bandendiebstahl begangen und in der PKS nicht abgebildet wird. Bandendiebstahl wird oft ausschließlich als Einzeltat angezeigt. Viele Einzelhändler gehen davon aus, dass der organisierte Diebstahl professioneller wird und weiter zunimmt. Verursacht beim Ladendiebstahl die Vielzahl der Kleindiebstähle den größten Schaden, sind die Schäden bei organisierten Taten pro Fall deutlich höher. Diese zu erkennen, zu dokumentieren und Tätergruppen zu überführen, ist für den Handel jedoch äußerst schwierig.
Unzureichende Personalausstattung
Aus präventiver Sicht sehen die Händler die vordringlichste Aufgabe darin, ausreichend Personal, insbesondere für die Flächenaufsicht, zu finden und das vorhandene Personal zu mehr Sensibilität bzw. Prozessgenauigkeit zu schulen. In der unzureichenden Personalausstattung sehen die Händler die Gefahr von Diebstählen durch fehlende Interventionskräfte. Zum einen ist qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt knapp, zum anderen sehen die Unternehmen Defizite bei der Schulung des eigenen Personals und der Personalpräsenz auf der Verkaufsfläche während der gesamten Öffnungszeit.
Neben dem Ladendiebstahl, also dem Diebstahl durch Kund:innen während der Ladenöffnungszeit, ist der Handel auch von anderen Straftaten betroffen. Eigentumsdelikte stehen an der Spitze aller Straftaten, aber auch Überfälle, Raub und Betrug kommen hinzu. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik sind Raubüberfälle auf Verkaufsstellen, Raubüberfälle auf Tankstellen und Einbruchdiebstähle im Vergleich zu den Vorjahren zwar wieder gestiegen, aber deutlich moderater als Ladendiebstähle.
EHI-Studie: Inventurdifferenzen 2024
Die Studie ist zum Download erhältlich und für Mitglieder kostenlos.
Kontakt:
Frank Horst, Leiter Inventurdifferenzen + Sicherheit, Tel.: +49 (0)221/5 79 93-53, horst@ehi.org
Ute Holtmann, Public Relations, Tel.: +49 (0)221/5 79 93-42, holtmann@ehi.org