Zur Person: Dagmar Glatz

Dagmar Glatz war nach ihrem Universitätsabschluss für Kunststofftechnik in der Verfahrenstechnik sowie in der Forschung und Entwicklung tätig. Anschließend bekleidete sie Leitungsfunktionen in der Pharma- und Automobilindustrie, bevor sie 2019 zu dm-Drogeriemarkt kam. Dort berät sie Marken-Teams und Herstellungspartner zur Recyclingfähigkeit von Materialien und entwickelt die dm-Markenverpackungsstrategie weiter.

Welche Ziele hat sich Ihr Unternehmen in puncto nachhaltige Verpackungen gesetzt?

Grundsätzlich wollen wir nur so viel Verpackungsmaterial einsetzen, wie für den Schutz des Produktes benötigt wird. Egal ob bei der Produkt- oder Logistikverpackung, wir prüfen alle Optionen zur Materialreduktion. Zudem wägen wir genau ab, mit welchem Material wir jedes einzelne dm-Markenprodukt verpacken. Papier und Glas sind im Trend. Kunststoff ist zu Recht in die Kritik geraten, da zu viel davon in der Umwelt ist. Bei vielen Produkten hat dennoch Kunststoff die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt, wenn es uns gelingt, diesen Wertstoff zu recyceln.

Ein strategischer Hebel für unsere Verpackungen ist es, recycelte Materialien zu verwenden. Wir steigern die Rezyklatanteile kontinuierlich. Schon 2009 haben wir das erste Mal eine Flasche aus Post-Consumer-Rezyklat (PCR) produziert, also aus Kunststoffabfällen, die bei dem privaten oder gewerblichen Endverbraucher entstehen. Bei den dm-Markenverpackungen war Ende 2022 bereits die für Produktverpackungen eingesetzte Kunststoffmenge zu 43 Prozent aus Rezyklat.

Um noch mehr Recyclingmaterial einsetzen zu können, muss die Recyclingfähigkeit aller Verpackungen steigen. Viele dm-Verpackungen bestehen deshalb mittlerweile z. B. nur noch aus Karton und nicht mehr aus der Kombination von Kunststoffhaube und Kartonkarte. Diese sogenannten Monomaterialverpackungen sind durch ihre Optik und Haptik für den Kunden eindeutiger dem richtigen Sammelsystem zuzuführen und er muss so außerdem nicht mehr trennen.

Bei welchen Maßnahmen und bei welchen Verpackungen sehen Sie die größten Hebel?

Ganz klar im stärkeren Einsatz von Recyclingmaterial. Wir sparen durch den Rezyklateinsatz in den dm-Markenverpackungen bereits heute mehr CO2- als durch den Umstieg auf LED-Beleuchtung in all unseren Märkten. Aber auch in unseren Logistikprozessen finden wir noch Hebel. Zum Beispiel können wir mit der Smart Box schon nach 35 Umläufen bis zu 90 Prozent des Verpackungsvolumens einsparen. Aktuell arbeiten wir am Roll-out von Mehrwegdisplays. Auch damit können wir Kartonage im dreistelligen Tonnenbereich einsparen. Welche Herausforderungen sehen Sie allgemein und speziell für dm mit Blick auf die Umsetzung? Die Forderung nach Rezyklatanteilen in jeglicher Höhe für Lebensmittelverpackungen halte ich für sehr ambitioniert.

Die aktuellen Grenzen des mechanischen Recyclings zeigt das PET-Flaschenrecycling auf. Hier werden nur die PET-Körper recycelt, die Verschlüsse kaum und die Etiketten aufgrund der Bedruckung gar nicht, da diese Rezyklate aufgrund ihrer schlechten Qualität keinen Absatzmarkt hätten. Jedoch müssen wir gerade auf die flexiblen Kunststoffe den Blick werfen, denn die Mengen sind ebenfalls relevant. Die ersten Ansätze zur Weiterentwicklung der Design for Recycling Guidelines bezüglich Farbeinsatz bzw. der Änderung des mechanischen Recyclingprozesses werden gerade analysiert. Wir benötigen ein Recyclingverfahren für die flexiblen Verpackungen aus dem gelben Sack unter ökologisch und ökonomisch sinnvollen Rahmenbedingungen.

Hintergrund: Das Forum Rezyklat

Das Forum Rezyklat wurde im Jahr 2018 von dm-Drogeriemarkt initiiert. Das Projekt- und Forumsmanagement wurde im Mai 2021 von GS1 Germany übernommen. Die strategische Allianz hat derzeit 72 Mitglieder und bildet die gesamte Wertschöpfungskette von Verpackungen ab: Händler, Produkt- und Verpackungshersteller, deutsche Duale Systeme, Abfallwirtschaftsunternehmen, Recyclingunternehmen sowie Vertreter von Wissenschaft und Politik.

Das Forum Rezyklat wurde auf Initiative von dm gegründet. Welches Ziel verfolgt es?

Ziel ist die Förderung des Rezyklateinsatzes. Kunststoff ist ein Verpackungsmaterial, das uns hilft, das Klima und die Natur zu schützen. Jedoch nur, wenn er konsequent im Kreislauf geführt wird. Die Kreislaufwirtschaft dahingehend zu entwickeln ist unser Ziel.

Welches sind die entscheidenden Errungenschaften, die zum einen beim Forum Rezyklat und zum anderen bei dm bereits erwirkt wurden?

Recycling-Materialanteil

Recycling-Materialanteil
Foto: dm

Über das FR haben wir das Attribut „Recyclingmaterial“ standardisiert. Es steht bereits für Fast-Moving Consumer Goods in fast allen EU-Ländern zur Verfügung. Dieses Attribut ist für die Industrie relevant, wir können es über den Handel aber auch dem Kunden zugänglich machen, der dadurch eine informiertere Kaufentscheidung treffen kann. Wir sehen hier bereits Erfolge, denn viele Produkte haben im Zuge der Auslobung einen höheren Rezyklatanteil in ihren Verpackungen erhalten. Die Nachfrage nach Rezyklat steigt, und dort, wo die Nachfrage steigt, bildet sich ein Markt für Rezyklate. Auch die Recyclingfähigkeit ist nun seit Beginn des Jahres in den Stammdaten hinterlegbar: zwei entscheidende Attribute für Circular Economy.

Was wünschen Sie sich von Ihren Partnern und Marktbegleitern, um nachhaltige Verpackungen stärker voranzutreiben und die Kreislaufwirtschaft weiter zu fördern?

Für den Einsatz von Rezyklat gibt es eine große Barriere, nämlich der Niedrigpreis von Virgin-Kunststoff. Sogar beim PET-Recycling stagniert aktuell der Ausbau des Recyclings. Die globale Überproduktion von Virgin PET drückt den Preis für frischen Kunststoff. Die europäischen PET-Recycler haben kaum eine Chance, am Markt zu bestehen. Wenn wir wollen, dass der Rezyklateinsatz merklich steigt, müssen wir andere Rahmenbedingungen schaffen. Der gemeinsame Dialog aller Stakeholder der Kreislaufwirtschaft ist dafür essenziell. Denn diese Entwicklungsnotwendigkeit geht über das Vermögen eines einzelnen Unternehmens weit hinaus. Nur wenn wir weiterhin gemeinsam arbeiten, werden wir wirklich etwas bewegen.

Das Interview führte Hilka Bergmann.