Als sich am 11. Oktober 1926 erstmals die Türen des Kaufhauses Schocken am Aufseßplatz öffneten, warteten Tausende Bürger:innen auf Einlass. Das Interesse war riesig. Sogar die Polizei war zugegen, um die Ordnung zu gewährleisten. Im Laufe der Jahre zeigten sich die positiven Begleiteffekte des Kaufhauses auf die Umgebung, viele weitere Geschäfte entstanden in der Nürnberger Südstadt. Das historische Schocken-Kaufhaus gibt es nicht mehr. Im Jahr 2012 endete seine mehr als 85-jährige Geschichte.
„Alles muss raus!“, verkündeten große Plakate beim Räumungsverkauf in der Immobilie, an deren Türen zu jenem Zeitpunkt bereits „Galeria Kaufhof“ stand. Schnäppchenjäger sahen leere Regale und spazierten durch eine Elektronikabteilung, in der die meisten TV-Ausstellungsstücke bereits von den Wänden geschraubt waren.
Wechselvolle Geschichte
Es folgte ein jahrelanger Leerstand mit wechselnden Eigentumsverhältnissen: Zunächst verkaufte die Metro Properties mit Sitz in Düsseldorf das Objekt an die Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen Stiftung. Diese kündigte an, das bestehende Gebäude abzureißen und ein Stadtteilversorgungszentrum mit Nahversorgung, Einzelhandelsangebot, Gastronomie und Dienstleistern zu bauen.

Impression aus
der Zeit des Abbruchs:
Vom früheren Kaufhaus
Schocken am Aufseßplatz
ist inzwischen
nichts mehr übrig
Foto: Ten Brinke
Im Rathaus kamen die Pläne gut an: „Damit sind die Weichen für den Einzug neuen Lebens an diesem für Nürnberg wichtigen Standort gestellt“, sagte Nürnbergs Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas Anfang März 2016. „Es entsteht ein neuer Kristallisationspunkt für die Südstadt.“ Bis dann aber wirklich Bewegung in die Sache kam, sollte noch Zeit vergehen. Im Herbst 2019 wurde die leer stehende Immobilie an das niederländische Bauunternehmen Ten Brinke weiterverkauft. Die rund 1.300 Beschäftigten der international tätigen Gruppe arbeiten an einer Vielzahl von Projekten mit einer Umsatzgröße von etwa einer Mrd. Euro.
„Mit dem Schocken-Carré verwirklichen wir die Vision eines zukunftsweisenden und lebenswerten Anziehungspunkts im Herzen der Südstadt“, sagt Miriam Seeberger, Projektleiterin bei Ten Brinke. Den neuen Namen für das Projekt haben Nürnbergs Bürger vorgeschlagen. Sie waren schon früh in die Umsetzung des Vorhabens einbezogen worden. Bei einem Wettbewerb hatten die Teilnehmer im Sommer 2021 insgesamt 200 Vorschläge eingereicht. Am Ende votierte eine Jury mehrheitlich für „Schocken-Carré“, weil dies „Historie und Zukunft schlüssig verbindet“.
Wohnen, Leben, Einkaufen
Ten Brinke hat für das 7.000 qm große Grundstück am Aufseßplatz ein Mischnutzungskonzept entwickelt, zu dem 219 Wohneinheiten, Handels- und Büroflächen sowie ein Familienzentrum samt Kindergarten gehören. „Der Bauantrag wurde bereits bei der Stadt eingereicht und unsere Regensburger Niederlassung befindet sich im steten Austausch mit der Stadt Nürnberg, sodass das Bauvorhaben trotz seiner Komplexität konstruktiv vorangetrieben wird“, hieß es Ende Juni bei Ten Brinke. „Nach Erteilung der Baugenehmigung können die Hochbauarbeiten beginnen.“ Im Untergeschoss sollen künftig diverse Einzelhandelsflächen ergänzt um kleinteilige Mietflächen Platz finden.
Im Erdgeschoss wird Edeka mit einem Lebensmittelvollsortimenter und kleineren Konzessionärsflächen vertreten sein. Auch Lidl hat bereits einen Mietvertrag unterschrieben. In direkter Nachbarschaft des Discounters entstehen weitere Handelsflächen verschiedener Größen. Im ersten Obergeschoss wird ein Parkdeck eingerichtet. In den weiteren fünf Geschossen sind ca. 219 Wohnungen und der Kindergarten inklusive Familienzentrum geplant.
Nachhaltig geplant
Im Herbst 2020 wurde mit dem oberirdischen Abbruch begonnen, im Herbst 2021 waren die Arbeiten abgeschlossen. Es folgten der unterirdische Abbruch sowie die Einbringung des Verbaus mittels Bohrpfahlwänden bis zum Frühjahr 2023. Aufgrund der engen Bebauung und dem direkt angrenzenden U-Bahn-Tunnel waren viele Abstimmungen mit allen Beteiligten erforderlich. Ein Großteil des Abbruchmaterials kann laut den Entwicklern für andere Bauvorhaben wiederverwendet werden, etwa als Recycling-Material im Straßenbau.
Das Quartier nimmt das Thema Nachhaltigkeit auch in weiteren Bereichen auf: Die Fassaden und das Dach werden begrünt und der bestehende U-Bahn-Zugang im Untergeschoss wird in das neue Gebäude integriert, wodurch die ÖPNV-Verbindung zwischen Alt- und Südstadt bestehen bleibt. Es soll Akku-Ladeschränke für E-Bikes, Car- und Lastenrad-Sharing-Angebote sowie Fahrradstellplätze mit eigenem Aufzug geben.
„Das Projekt liefert einen Beitrag zur modernen Stadtplanung sowie zur Erweiterung der Innenstadt und bietet neuen urbanen Wohnraum, der mit Einkaufsmöglichkeiten, Betreuungsplätzen für Kinder und einer optimalen Anbindung an den ÖPNV mit U- und S-Bahn-Anschluss ausgestattet ist und somit zur Attraktivitätssteigerung des Quartiers beiträgt“, heißt es dazu von Ten Brinke. Bleibt die Hoffnung, dass das neue Schocken-Carré ähnlich gut angenommen wird wie das historische Kaufhaus.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König ist optimistisch: „Seit Jahren klafft in der Südstadt eine offene Wunde – dass es nun vorangeht und ein Silberstreif am Horizont zu sehen ist, gibt dem Aufseßplatz und dem Viertel eine Perspektive. Die Südstadt hat Zukunft und die Entwicklung wird zur Attraktivität des Quartiers beitragen.“