Debitkarten, Kundenkarten, Mitglieds- ausweise, Personalausweis, Impfpass – in einem durchschnittlichen Portemonnaie muss heute viel Plastik Platz finden. Spätestens beim Autoschlüssel sei Schluss mit Hinsetzen – so die Botschaft eines Youtube-Videos, mit dem Google für sein neues Wallet wirbt. Mit der neuen Funktion will der kalifornische Software-Konzern das Smartphone als Ersatz für den physischen Geldbeutel etablieren.
Im Gegensatz zum Vorläufer Google Pay muss das Wallet nicht erst aus dem App-Store geladen werden, sondern ist bereits im Betriebssystem integriert. „Genau wie Kamera oder Taschenlampe werden Wallets auf dem Smartphone zur grundlegenden Funktion“, glaubt Google-Manager Victor Bergmann.
In den USA laufen bereits Pilotprojekte. Dem Mobilen Bezahlen dürfte die Funktionserweiterung weiter Auftrieb verleihen. Laut einer Umfrage der Bundesbank haben 2021 bereits 17 Prozent aller Befragten schon einmal mit ihrem Smartphone im Laden bezahlt. Apple Pay ist laut der Umfrage mit einem Anteil von knapp 40 Prozent das beliebteste Verfahren an der Kasse, gefolgt von den Bezahl-Apps der Banken oder Sparkassen mit 25 Prozent. Google Pay liegt mit weniger als 20 Prozent auf Platz drei.
Zwar bewegt sich der Anteil mobiler Verfahren sowohl gemessen am Umsatz als auch an der Anzahl an Transaktionen nach wie vor im niedrigen einstelligen Bereich, wie Zahlen des EHI zeigen. Doch seit der Coronapandemie zeigen die Wachstumsraten steil nach oben.
Reichweite kostet
Spannend für den Handel ist, welche Bezahl-Apps sich bei den Kunden dauerhaft durchsetzen. Denn das hat zum einen Konsequenzen für den eigenen Payment-Mix und die damit verbundenen Transaktionsgebühren. Zum anderen greifen Apple, Google & Co. mit ihren Angeboten in die Customer Journey ein. „Jeder Digital Native in Deutschland ist auch Google-Nutzer“, sagt Viktor Bergmann – ein Argument, mit dem der amerikanische Software-Konzern deutsche Banken und Händler als Partner gewinnen will.
Das Google Wallet solle Händler-Apps keineswegs ersetzen, sondern ergänzen, so der Manager. Händler könnten ihre eigenen Loyalty-Programme bequem in die digitale Geldbörse integrieren. Die Kehrseite: Mit dem Vormarsch von Google Pay bauen teure Bezahlverfahren wie Kreditkarten und Paypal ihre Umsatzanteile im deutschen Handel kontinuierlich weiter aus. Zufrieden äußert sich Michael Ullmann von S-Payment über die Kooperation mit Apple: Sparkassen- kund:innen können mit der Girocard nicht nur über die eigene App „Mobiles Bezahlen“ sondern auch via Apple Pay im stationären Handel zahlen. Auch online kann die Karte bei rund 70 Shops und Lieferdiensten die Girocard genutzt werden.
Endstation Cupertino
Christian Pirkner, CEO des Zahlungsdienstleisters Bluecode, ist allerdings der Ansicht, der Handel müsse sich recht- zeitig fragen, wem am Ende die Kundenreise gehört. Pirkner befürchtet, dass die Endstation der Customer Journey bald Cupertino heißen könnte, wo Apple seinen Stammsitz hat. Schon seit Jahren könne man beobachten, wie durch das Zusperren des NFC-Chips die Wertschöpfung ab- geräumt werde, sagte er auf den EHI-Technologietagen in Bonn.
So biete Apple neben der reinen Bezahlfunktion mittlerweile selbst und auf eigene Rechnungen Ratenzahlung (Buy now pay later) an. In Kooperation mit der US-Bank Goldman Sachs gibt der Konzern zudem in den USA eine eigene Kreditkarte mit Sparzinsen und Cashback-Funktion heraus. Spätestens wenn die Apple Card nach Deutschland komme, würden die Kosten für den Payment-Mix im Handel „zur unlustigen Nummer“, so Pirkner.
Mobile Payment Roaming
Mit der European Mobile Payment Systems Association EMPSA will der Bluecode-CEO deshalb gegensteuern. In vielen europäischen Länder hätten sich in den letzten Jahren starke nationale, QR-Code-basierte Bezahlverfahren etabliert, allen voran Swish in Schweden, Vipps und Mobilepay (soeben fusioniert) in Dänemark oder Twint in der Schweiz.
Für diese nationalen Mobile-Payment-Lösungen hat Bluecode eine Art Roaming-Funktion entwickelt. Kunden sollen ihre vertraute App für Bezahlen per QR-Code künftig in ganz Europa nutzen können. Händler müssten umgekehrt nur für ein einziges dieser Verfahren freigeschaltet sein, um Mobile Payment für alle Kund:innen zu ermöglichen.