Der Kontrast zwischen Interior und Exterior könnte größer nicht sein. In dem typischen nordfriesischen Ambiente mit rauer Natur, Kopfsteinpflaster und reetgedeckten Backsteinhäusern im Sylter Kampen hat Modefilialist Meyer Potz einen neuen Store eröffnet, der die aktuellen Trends im Store-Design aufgreift: glatte Marmorflächen, Kleiderstangen in strengen geometrischen Formen, klare Linien und vor allem auffällige Spiegelelemente in Form einer verspiegelten Decke und von interessanten Drehspiegeln mit abgerundeten Ecken, die am Boden und an der Decke befestigt sind.
Innenarchitektin Claudia Breil, Inhaberin von Breil+Interior Design, Hamburg, beobachtet derzeit einen verstärkten und gezielteren Einsatz von Spiegeln im Retail-Design. Sie führt dies unter anderem darauf zurück, dass insbesondere im Fashion Retail ein Umdenken stattgefunden hat: „Früher wurde jeder Quadratmeter Verkaufsfläche für die Platzierung von Ware genutzt. Da galten selbst Spiegel als Raumfresser. Heute sind die Flächen insgesamt viel luftiger gestaltet, und die kuratierte Ware wird sorgfältiger inszeniert. Da kommen Spiegel nicht nur aus Service-Gründen zum Einsatz. Sie können auch ein wertvolles Element im Store-Design sein.“
Größe gewinnen
In kleinformatigen Stores können sie durch die geschickte Platzierung z.B. dazu beitragen, dass die Verkaufsfläche größer wirkt. Diesen Effekt machen sich auch die Store-Designer des neuen Concept Stores von Marc O’Polo in Stockholm zunutze. Zwei deckenhohe verspiegelte Quader im mittleren und hinteren Bereich bringen eine optische Weite in den Store. Auf der 95 qm großen Verkaufsfläche werden im monatlichen Wechsel ausgewählte Kapselkollektionen und eine monothematische Auswahl aus den Fashion- und Accessoires-Kollektionen von Marc O’Polo gezeigt.
„Die hohen Spiegel transportieren Großzügigkeit, Offenheit und luxuriöse Anmutung. Bewusst und smart konzipiert, geben sie dem Store zusammen mit den großen LED-Screens eine zeitgemäße Handschrift und bieten die ideale Kulisse für die kuratierte Produktauswahl“, so MOP-Sprecherin Kristin Lauer.
Perspektivwechsel
Geschickt platziert, schaffen Spiegel auch neue Blickachsen und Perspektiven. Hugo Boss arbeitet z.B. in seinem neuen Store im New Yorker Stadtteil Soho mit Spiegeln in den Rück- und Seitenwänden der Accessoires-Regale. So wird den Kundinnen und Kunden eine 360°-Grad-Ansicht ermöglicht, ohne dass sie die Produkte aus dem Regal nehmen müssen. Außerdem entsteht ein optischer Multiplikatoreffekt.
„Damit kann in Luxus-Stores mit einzelteiliger Präsentation eine interessante Wirkung erzielt werden. Bei großflächigen Geschäften mit einer Vielzahl an Produkten kann dieser Effekt die Kunden auch überfordern und von dem gewünschten Artikel ablenken. Da würde ich von verspiegelten Regalrückwänden eher absehen“, so Claudia Breil.
Zum sorgsamen Umgang mit Spiegelflächen rät die Innenarchitektin auch bei Geschäften, die über große Fensterflächen verfügen. „Zurzeit öffnen viele größere Modehäuser ihre Fassaden, um für mehr Transparenz zu sorgen und das Tageslicht aus energetischen Gründen besser ausnutzen zu können.
Digitales Spiegelkabinett
Insbesondere wenn hierdurch direkte Sonneneinstrahlung einfallen kann, müssen Spiegel so platziert werden, dass sie die Blendwirkung nicht verstärken, aber trotzdem dazu beitragen, das Tageslicht besser ausnutzen zu können.“ Ganz neue Aspekte in puncto Spiegel im Store-Design bringt die Digitalisierung mit sich.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der neue Burberry Social Retail Store im chinesischen Shenzhen, in dem Spiegel eine wichtige Rolle spielen. Nicht unter Service-Gesichtspunkten, sondern im Hinblick auf die Store Experience.
Mithilfe einer speziellen Smartphone-App können die Besucher:innen den Store erkunden und im Rahmen verschiedener Aktionen Punkte sammeln. Wer genügend Punkte gesammelt hat, erhält Zutritt zu dem Raum „The Trend Experience“ – eine Art modernes Spiegelkabinett. Die Innenwände sind komplett mit Screens und Spiegeln verkleidet, auf denen eindrucksvolle Naturszenen gezeigt werden – perfekter Content für die Social-Media-Kanäle der Kundinnen und Kunden.
Selfie-Kulissen
Eine „instagrammable“ Location ist auch das Burberry-Bistro „Thomas Café“. Die auffällig gemusterte Fototapete in Kombination mit der Spiegeldecke und den verspiegelten Tischen bilden die perfekte Kulisse für Selfies, deren Botschaft eindeutig und im Sinne des Burberry-Managements ist: „Wenn ihr dies erleben wollt, müsst ihr unseren Store besuchen.“ „So eine Inszenierung ist natürlich kaum zu toppen.
Inspirieren lassen
Aber virale Effekte lassen sich auch durch weniger spektakuläre Lösungen erzielen und sollten bei der Gestaltung der Verkaufsflächen heutzutage mitgedacht werden“, empfiehlt Claudia Breil und führt die von ihr gestaltete neue Damentrend-Abteilung bei Ludwig Beck in München an. Dort gibt es eine kleine Fläche, die immer wieder umdekoriert wird. Sie ist als Selfie-Spot konzipiert und soll die Kundinnen dazu animieren, Fotos und Videos zu machen und zu posten.
Weiteres Beispiel: Die Fashionmarke Funky Staff möchte ihre Shop-Flächen, die demnächst im stationären Modehandel eröffnet werden, mit Spiegeln ausstatten, die zugleich digitale Screens sind. Dort werden dann regelmäßig neue Looks gezeigt, um die Kundinnen zu neuen Outfits zu inspirieren.