Corona treibt nicht nur die Digitalisierung des Handels voran – auch Institute wie das EHI müssen sich den neuen Herausforderungen stellen. So wurden sämtliche Interviews der Technologie-Trendstudie per „Teams“, „Zoom“ und „WebEx“ durchgeführt – noch vor zwei Jahren wurden alle Handelsunternehmen persönlich in ihren Zentralen besucht. Auch inhaltlich war die Befragung stark von der Pandemie geprägt. Abseits des je nach Branche sehr unterschiedlichen Ausmaßes, in dem die Unternehmen wirtschaftlich betroffen sind, besteht hinsichtlich der nochmals massiv gestiegenen Bedeutung von Technologie für eine erfolgreiche Zukunft große Einigkeit bei den Interviewpartner:innen.
Connected Retail hat höchste strategische Priorität.
Ulrich SpaanKI ist Technologie der Zukunft
Viele der Trends, die bereits vor zwei Jahren als besonders bedeutsam erachtet wurden, finden sich auch dieses Mal bei der Einstiegsfrage nach den wichtigsten Zukunftstrends auf den vorderen Rängen wieder. Ungebrochen ist beispielsweise die Einschätzung zur Bedeutung von Künstlicher Intelligenz als Technologie der Zukunft. 63 Prozent der Befragten (2019: 69%) stuften diese als besonders wichtig ein.
Dabei ist anzumerken, dass es bei der Definition des Begriffes KI oft unterschiedliche Auffassungen gibt. Manche Verantwortlichen setzen Machine Learning mit KI gleich, andere ziehen eine klare Abgrenzung. Einig sind sich jedoch alle dahingehend, dass selbstlernende Algorithmen, vor allem im Umfeld des Forecasting & Replenishment, eine immer größere Rolle spielen und die Anwendungen immer intelligenter und technologisch ausgefeilter werden.
Der zweite große Zukunftstrend ist – und das kommt in Zeiten der Pandemie wenig überraschend – Connected Retail, bislang vielfach auch als Omnichannel bezeichnet. Die Bedeutung der nahtlosen Verschmelzung der On- und Offline-Kanäle und die Generierung einer Seamless Customer Journey steht seit Jahren auf der Liste strategischer Prioritäten vieler Retailer. Das Jahr 2020 hat jedoch nochmals für einen sprunghaften Anstieg der Wichtigkeit gesorgt. 44 Prozent der Händler (2019: 30%) nannten Connected Retail bei der Frage nach den technologischen Top-Trends der kommenden Jahre. Dies ist mit der Tatsache zu begründen, dass die aktuelle Situation vielen Unternehmen eindrücklich vor Augen geführt hat, wie erfolgskritisch die Umsetzung einer strukturierten, durchdachten und technologisch stimmigen Omnichannel-Strategie ist.
Die Wahrnehmung von Services wie Click & Collect oder Click & Reserve hat bei den Kundinnen und Kunden deutlich zugenommen, gleichzeitig gilt es, Fulfillment-Prozesse wie Ship from Store reibungslos abzuwickeln. Auch im Payment-Bereich spielt die Verschmelzung der Zahlungskanäle aus der Off- und Online-Welt und der damit verbundene 360- Grad Blick auf die Customer Journey eine große Rolle.
Personalisierung schreitet voran
Eng mit Connected Retail verbunden ist auch das Thema Customer Centricity, welches von 37 Prozent der CIOs und IT-Leiter:innen als technologischer Top-Trend eingeordnet wird. Für viele Unternehmen sind die Personalisierung und Individualisierung der Kundenservices und die damit verbundenen Angebote auf den Mobile Devices der Kund:innen ein grundlegender Baustein der Digitalisierungsstrategie. Die meisten Unternehmen bieten zwar bereits zahlreiche digitale Services per App oder mobiler Webseite an, der letzte Schritt zu Angeboten, die auf das persönliche Profil der individuellen Person zugeschnitten sind, steht aber meist noch bevor.
Um in einer zunehmend von Digitalisierung geprägten Zukunft bestehen zu können, ist die flexible, modulare und schnell skalierbare Implementierung von innovativen Applikationen und digitalen Services unabdingbar. Technologisch gesehen gewinnen daher cloudbasierte Infrastrukturen immer mehr an Bedeutung. Wie schon 2019 ist die Bedeutung von Clouds als Zukunftstrend unangefochten hoch, nicht wenige Retailer verfolgen sogar inzwischen zumindest teilweise eine Cloud-first-Strategie bei der Auswahl neuer Lösungen. Neben klassischen Officeanwendungen betrifft dies vor allem die Bereiche E-Commerce, CRM inklusive mobiler Apps und Analytics.
Bemerkenswert ist auch, dass Self- Scanning/-Checkout (2019 nicht als eigener Punkt erfasst) wieder vermehrt als Zukunftstrend genannt wurde. Dies ist vor allem zurückzuführen auf die Annahme vieler Interviewpartner: innen, dass sich Scan-and-Go-Lösungen per Kunden-Smartphone vermehrt etablieren werden.
Infrastrukturen stehen
Blickt man auf die konkreten Technologieprojekte, welche bei den 97 Unternehmen in den kommenden drei Jahren im Vordergrund stehen, so ergibt sich ein Bild, welches die zuvor genannten Zukunftstrends deutlichwiderspiegelt. Erstmals seit Durchführung der Studie finden sich Projekte aus dem Umfeld Analytics an erster Stelle in dieser Auswertung – ein Ergebnis, welches deutlich mit dem Zukunftstrend KI in Zusammenhang steht.
Projekte aus dem ERP- und Kassenbereich sind traditionell von hoher Bedeutung und finden sich auch im Jahr 2021 unter den Top 5 – wobei die Nennungen bei ERP bemerkenswert rückläufig sind. Dies spricht – genauso wie der Rückgang der Wichtigkeit von Infrastrukturprojekten – für einen hohen Umsetzungsgrad in den vergangenen zwei Jahren, teilweise wurden aus wirtschaftlichen Gründen aber auch Großprojekte zurückgestellt.
Connected Retail/ Omnichannel-Projekte genießen weiterhin Top-Priorität, die Bedeutung von CRM-Projekten ist im Vergleich zu 2019 leicht gestiegen.
In der Studie werden auch verschiedene weitere Technologien und Lösungsfelder untersucht. Eine sehr dynamische und interessante Entwicklung ergibt sich beispielsweise beim Einsatz elektronischer Regaletiketten (ESL). Zwar finden sich Investitionen in ESLs nicht unter den Projekten mit höchster strategischer Priorität, dennoch investiert gerade der Lebensmittelhandel verstärkt in die digitale Preisauszeichnung. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen liegen diese in der technologischen Weiterentwicklung der Devices (bessere Lesbarkeit, mehrere Ebenen, Zusatzfunktionen), zum anderen aber auch in einem deutlichen Preisrückgang, der sich seit einigen Jahren abzeichnet.
Teilweise spielen auch Überlegungen eine Rolle, das im Online-Handel übliche Dynamic Pricing in Facetten auch stationär umzusetzen. Aktuell setzen über das ganze Panel verteilt bereits 33 Prozent der Unternehmen ESLs ein, teilweise handelt es sich dabei aber noch um Pilotfilialen. Weitere 27 Prozent haben das Thema konstant unter Beobachtung. Betrachtet man ausschließlich den Lebensmittelhandel, setzen bereits 79 Prozent der Firmen auf ESLs, 54 Prozent davon planen eine Ausweitung des Einsatzes.
Den Abschluss der Studie bildete diesmal eine Sonderfrage zum Thema Diversity in den IT-Abteilungen. Dabei kam heraus, dass der Anteil an Mitarbeiterinnen dort im Durchschnitt bei 23 Prozent liegt. Hier besteht mit anderen Worten noch ein hohes Ausbaupotenzial, welches auch durchgehend von allen Ansprechpartner:innen so bestätigt wurde.
Weitere Informationen: Ulrich Spaan/spaan@ehi.org
EHI-Studie:
Technologie Trends im Handel 2021
Für die zehnte Auflage der Technologie-Trendstudie wurden IT-Entscheider aus rund 100 deutschsprachigen Handelsunternehmen zu technologischen Trends und Investitionsprioritäten befragt.
ISBN 978-3-87257-533-3
Preis 465,00 € zzgl. MwSt.
Mehr Infos unter:
Tel. + 49 221 57993-64
EHI-Whitepaper:
Sustainable Smart Stores
Die vierte Auflage des Whitepapers von EHI und Microsoft zur Zukunft von IoT, AI & Co. im Handel. Mit Fokus-Thema Nachhaltigkeit, Case Studies und Ergebnissen von EHI-Befragungen.
Das Whitepaper kann kostenfrei heruntergeladen werden.
Mehr Infos unter:
Tel. + 49 221 57993-64