Unbefriedigende Jahresgespräche kennt Yasemin Tahris aus eigener Erfahrung. Die Gründerin des Schweizer Start-ups Flowit arbeitete viele Jahre als Krankenpflegerin, bevor sie in Psychologie promovierte: „Ich fand es wenig motivierend, einmal im Jahr Kreuzchen auf einer Liste von Standardfragen zu machen“, sagt sie. Doch genauso sieht in vielen Unternehmen der Alltag aus. In personalintensiven Branchen wie Gesundheitswesen oder Handel seien oft wenige Führungskräfte für viele Beschäftigte verantwortlich, so Tahris. Dennoch würden sie mit dem wichtigen Thema Personalentwicklung allein gelassen: „Meine Vorgesetzten wirkten in solchen Gesprächen oft ratlos,“ so die Jungunternehmerin mit türkisch-marokkanischen Wurzeln.
„Flowit“ soll Instrumente wie Jahres- und Mitarbeitergespräche, Pulsumfragen und Echtzeit-Feedback einem breiten Anwenderkreis leicht zugänglich machen. Die Software kombiniert KI und wissenschaftliche Methoden aus der Arbeits- und Organisationspsychologie, um expliziert auch die „Blue-Collar-Worker“ vom Filialpersonal auf der Fläche hin zur Lageraushilfe oder zur Reinigungskraft zu erreichen. Mitarbeitende ohne PC-Arbeitsplatz können „Flowit“ beispielsweise auf privaten Smartphones, Filial-Tablets oder PC-Terminals im Backoffice nutzen.
Das Engagement, die Führungskultur und der agile Umgang mit Entwicklungszielen werden mit Flowit systematisch gefördert und nicht bloß einmal pro Jahr abgehakt.
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KI stellt smarte Fragen
Zur Vorbereitung auf effiziente und zielführende Personalgespräche können Führungskräfte einen kurzen digitalen Fragebogen erstellen und an ihre Teams verschicken. Die Fragen sind anschaulich und positiv formuliert, also nicht: „Wie beurteilst Du Deine Leistungsfähigkeit auf einer Skala von 1 bis 10?“ Sondern eher: „Was war im letzten Jahr ein besonderes Highlight für Dich?“ Der KI-Bot hakt gezielt nach: „Was hat Dir dabei geholfen? Was könnten in Zukunft weitere Highlights werden? Was brauchst Du dafür?“ Anhand der Antworten schlägt die KI konkrete Inhaltspunkte für das persönliche Gespräch vor. Grafische und spielerische Elemente, beispielsweise Entwicklungskarten, helfen dabei, konkrete Entwicklungsziele festzulegen und bei Bedarf jederzeit anzupassen. „Flowit“ fördere den kontinuierlichen Austausch und damit die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, so die Gründerin: „Entwicklungsziele werden nicht länger bloß einmal pro Jahr abgehakt.“
Pulsumfragen bei Decathlon
2020 gegründet, hat das Start-up bereits 70 zahlende Kunden aus Branchen wie Gesundheit und Pflege, Gastronomie oder Logistik und erzielt mit der modularen SaaS-Software einen Umsatz von 1,5 Mio. Schweizer Franken. Zu den ersten Anwendern im Handel zählt Decathlon. Der Sportartikelhändler will „Flowit“ für monatliche Pulsumfragen nutzen. Den Anfang machen 2025 die rund 1.000 Beschäftigten in der Schweiz. Man wolle das Engagement und die Stimmung im Unternehmen künftig auch in anderen Ländern regelmäßig analysieren, heißt es dazu bei Decathlon: Das KI-Tool helfe dabei, nicht zu viele, sondern die richtigen Fragen zu stellen.